Teestunde – be the exception oder der Cher Effekt

Meine Lieben, seit Jahren vergeht für mich kein Sommer, ohne nicht zumindest einmal (in diesem Sommer wäre ich bis dato bei viermal angelangt) den ultimativen Sommerfilm schlechthin gesehen zu haben – “Mamma Mia”. Obwohl ich mir den ersten Teil damals nicht einmal im Kino angesehen habe – naja, ihr kennt mich ja, Hype und so -, bin ich ihm bei Ausstrahlung im Free-TV schlicht und einfach verfallen. Wie kann man sich bitte auch nicht in diese Insel, diese Bilder, die Schauspieler, die Geschichte und vor allem die Musik verlieben? Kaum vorstellbar, dass jemand dieses cineastische Meisterwerk nicht vergöttert.

Als der zweite Teil “Mamma Mia – Here we go again” vor drei Jahren im Kino angelaufen ist, war ich bestimmt eine der ersten Zuseher und – war ein kleines bisschen enttäuscht. Diesem Film hat für meinen Geschmack die Leichtigkeit des ersten gefehlt, was bei der Handlung bzw. beim dem, was man sehr schnell erfahren muss, auch kein Wunder ist – zumindest war ich nach diesem Kinobesuch dieser Meinung. Aber, seltsamerweise, nachdem ich ihn mir zu Hause noch einmal angesehen habe und dann noch einmal und noch einmal und inzwischen bestimmt hundertmal, kann ich mich selbst nicht mehr verstehen. Teilweise gefällt mir die Musikauswahl sogar noch besser als beim Vorgänger. Aber das ist noch nicht das Einzige, was ihn eindeutig von anderen Filmen abhebt.
Nein, denn da ist dieser eine Auftritt, dieser komplett unsinnige, unpassende, grenzgeniale Auftritt von Cher als Amanda Seyfrieds Großmutter, der für mich diesen Film in den Olymp hebt.Ich kann mich noch genau daran erinnern, als ich im Kinosaal gesessen bin und plötzlich Cher auf eine gewisse Art völlig zusammenhanglos mit ihrem Hubschrauber auftaucht und Andy Garcia singend anschmachtet – ich konnte meine Augen nicht abwenden. Nicht zu vergessen, die gefühlten zwanzig Kostümwechsel in ihrem fünf Minuten Auftritt. Wahrscheinlich hat kein Zuseher jemals dieses Zwischenspiel verstanden, aber – OMG – ich finde diese Frau einfach nur genial.
Das Gesicht komplett mit Botox zubetoniert, dass sie allein dafür einen Gefahrentransport-Aufkleber tragen müsste. Für ihre Kleidung mussten mindestens eine Million Swarovski-Schwäne sterben – und sie wackelt unbeirrt mit ihren fünfundsiebzig Jahren über die Bühne und ihre rauchige, einzigartige Stimme bringt alle zum Schweigen.

Cher ist eine Ikone. Punkt. Als man als Kind mit Zahnspange noch schief angeschaut wurde, da dies in der damaligen Zeit einer Schönheitbehandlung noch am nächsten gekommen ist, hatte sich Cher schon den halben Körper mit diversen Eingriffen veredeln lassen. Bestimmt kann sich noch jeder an diese Abbildungen von Michael Jackson und ihr in Klatschzeitschriften erinnern, wo mit Preistags veranschaulicht wurde, dass an diesen Menschen kein Millimeter Natürlichkeit mehr vorhanden ist.
Ich war damals noch ein Kind und habe im Grunde überhaupt nicht verstanden, wovon die Rede ist. Meine Vorstellung einer Schönheits-OP wie es z.B. immer von Michael Jackson die Rede war, kam Frankensteins Praxis nicht ganz unnah. Ich habe fix geglaubt, von einem anderen Menschen wurde die Nase entfernt und dann auf Michael Jacksons Gesicht getackert. Jedenfalls – kindliche Vorstellung hin oder her -, es war etwas absolut Exotisches und für uns “kleine” Menschen unvorstellbar, wie man seinem Körper so etwas antun kann. Menschen wie Cher wurden verrissen, teilweise verachtet und als nicht ganz dicht in der Birne angesehen.

Auch Mariah Carey gehört in diese Kategorie Mensch, die für ihren Lebensstil, ihre Extravaganz, ihren Schönheitskult belächelt wird. Vielleicht habe ich einmal ähnlich gedacht, aber soll ich euch etwas verraten? Heute verehre ich Cher & Co zutiefst und wenn ich einmal groß bin, möchte ich genauso sein wie sie. Keine Angst, ich habe zum momentanen Zeitpunkt keine Pläne, mir mein Gesicht nach hinten zu binden oder den Hintern in meine Wangen zu verpflanzen, aber darum geht es hier auch gar nicht.

Es geht mir um diese einzigartige, beneidenswerte Attitüde, dass du einfach dein Ding durchziehst. Dass du dich keinen Deut darum scherst, was irgendwer denkt. Dass dir egal ist, ob du belächelt wirst, da deine Outfits zu durchsichtig sind für dein Alter oder jeder Discokugel Konkurrenz machen könnten, dass du zunimmst, wie es dir gefällt, danach wieder abnimmst, dass die Knochen hervorstehen, dass du dir aus dem Katalog eine neue Nase aussucht und wenn sie dir nicht mehr gefällt, änderst du das halt auch wieder. Oder du lässt dir dein Kopfkissen in die Wangen hineinoperieren, weil du gerade Lust darauf hast, selbst wenn dein Gesicht danach ausschaut, als ob es gegen einen Betonpfeiler gedonnert wäre. Dass du bei einem Fernsehauftritt, obwohl du genau nichts zur Handlung beitragen kannst, dich trotzdem wie der Hauptcast feiern lässt. Dass du als Diva durchs Leben stolzierst und die Welt zu deiner Bühne machst. Dass du bereits dein Aussehen verändern hast lassen, zu einer Zeit, als noch kein Mensch Botox überhaupt buchstabieren konnte. Dass du einfach immer dein Ding durchgezogen hast, ohne dich durch irgendwelche schmierigen Journalisten und Medien von deinem Weg abbringen zu lassen.
Sind wir mal ehrlich, um so durchs Leben zu gehen, brauchst du ordentlich Eier in der Hose.

Kürzlich ist irgendwo im Fernsehen eine Dokumentation über besagte Super-Woman gelaufen und diese Frau hatte es ehrlich nicht leicht im Leben. Trotzdem oder gerade deswegen wurde sie zu einer Ikone der Popkultur und nicht umsonst wird ihr der Einzug weiblicher Eigenständigkeit und Selbstverwirklichung in der Unterhaltungsindustrie zugeschrieben. Das ist etwas, das sie sich zu recht auf ihren Panzer pinseln darf. Cher hat sich, ihr Image und ihre Arbeit immer wieder neu erfunden und hält sich seit Jahrzehnten im Showgeschäft, was ihr erst einmal jemand nachmachen muss. The Goddess of Pop. 2011 brach sie ihren eigenen Rekord als einzige Künstlerin, die in allen sechs Dekaden ihrer Karriere einen Nummer-eins-Hit in einer Sparte der Billboard Charts landete. Grammy, Emmy, Golden Globe, den Oscar für Fashion – welchen Preis hat sie eigentlich nicht erhalten?Aber all das ist nicht wichtig, denn den größten Preis, das, was sie irgendwann dieser Welt hinterlassen wird, ist ein Sinnbild für Selbstliebe, Zielstrebigkeit, Mut und was es bedeutet, Trendsetter zu sein – nämlich ohne es jemals sein zu wollen. Ein Vorbild dafür, sein Leben zu leben, wie es einem selbst gefällt. Vielleicht schüttelt man den Kopf, wenn man sie sieht, vielleicht ist es wie ein Unfall, von dem man nicht wegsehen kann, vielleicht will man ihr psychische Probleme unterstellen, weil sie ist, wie sie ist, aber für mich bleibt sie eine Ikone. Ein Vorbild, ein Sinnbild und ein Idol für eine Lebenseinstellung, von der sich manch einer etwas abschauen kann.

Lass sie doch reden, lass sie sich das Maul zerreißen, fühle dich wie Cher und gehe mit erhobenem Haupt durchs Lebens. Hätten wir alle ein kleines bisschen Cher in uns, wir würden nicht mehr so viel nachdenken, was andere von uns denken könnten, sondern einfach das tun, was uns gefällt. Es ist keine Kunst, einem Trend nachzujagen, wenn es sowieso jeder tut. Sei der, der aus der Masse heraussticht, der auf Trends pfeift oder sie im Grunde einfach selbst macht – nur sei bitte nicht der, der auf Menschen mit dem Finger zeigt, nur weil sie “anders” sind oder sich anders kleiden. Davon gibt es schon zu viele.
Sei lieber Cher!

eine Lieben, vielleicht kann nicht jeder nachvollziehen oder verstehen, was es mit Cher auf sich hat. Es ist nicht so, dass ich ein Fan ihrer Musik wäre, denn mit Popmusik kann ich an sich nicht viel anfangen, aber ich bete Menschen an, die unserer engstirnigen, verbohrten, arroganten Gesellschaft den nackten Hintern rausstrecken und auf alle Konventionen pfeifen. Die sich niemals an einen Dresscode halten würden, weil sie ihr eigener Dresscode sind – und dafür gefeiert werden. Unsere Welt braucht eindeutig mehr Chers und weniger fingerzeigende und lästernde Menschen, das ist Fakt. Also, meine Aussage des Tages und an allen anderen Tagen des Jahres: sei Cher!
Alles, alles Liebe, love&peace,