Dazwischen Verboten

Meine Lieben, könnt ihr euch noch an die Zeit erinnern, als man mit Freunden gemütlich im Restaurant zusammengesessen ist oder mit Kollegen in der Kantine gespeist hat und eine hitzige Debatte über ein aktuelles Thema entbrannt ist. Wie man diskutiert hat, versucht hat, dem anderen seine eigene Anschauung näherzubringen, vielleicht sogar mit der Hoffnung, ihn von den eigenen Ansichten überzeugen zu können. Wie es nicht selten der Fall war, dass man stattdessen selbst angefangen hat, den einen oder anderen Gedanken zu hinterfragen. Wie spannend es war, verschiedene Betrachtungsweisen auf ein Thema zu erfahren, daran zu wachsen, sich selbst dadurch weiterzuentwickeln.

Ja, das waren noch Zeiten.
Leute, es ist rau geworden da draußen auf der Straße. 

Eine der vielen (unangenehmen) Begleiterscheinung der letzten zwanzig Monate ist die Spaltung der Gesellschaft. Während man früher noch akzeptiert hat – egal welchen Bereich es betroffen hat -, dass nicht jeder gleich denkt. Dass ich vielleicht nicht jeden mir fremden Gedankengang nachvollziehen kann oder nachvollziehen muss, hat sich das Wetter inzwischen ordentlich gedreht. Christian Grey müsste seinen Buchtitel 2021 eindeutig noch einmal überdenken, denn von fünfzig Grauschattierungen dazwischen können wir heute nur träumen.
Es gibt Schwarz und Weiß und wage es ja nicht, ein bisschen Grau dazumischen zu wollen.Obwohl es ein Thema ist, das man eigentlich nur mit Samthandschuhen anfassen möchte, wage ich den Schritt und ziehe als Beispiel DAS Thema heran, das uns alle pausenlos seit gerade genannten zwanzig Monaten beschäftigt. Wenn man durch die Straßen flaniert, im Kaffeehaus sitzt oder einkaufen geht, es scheint tatsächlich nur noch diese eine Thematik zu geben.
Wie naiv war ich bitte, als ich vor einem Jahr dachte, das wird jetzt wohl mein letzter Beitrag zu Corona gewesen sein. Jetzt wird dann doch langsam alles wieder in geordneten Bahnen laufen – Pandemie hin oder her.
Hach, wie naiv ich doch war.

Aber gut, dann wage ich halt noch einmal den Schritt und greife dieses Thema auf. Dieses Corona-Thema – allerdings in einem ganz gewissen Kontext. Während man also früher akzeptiert hat, dass nicht jeder gleich denken kann, muss man heute Toleranz und Akzeptanz mit der Lupe suchen und wird doch nichts finden. Du kannst jede Entscheidung der Regierung mittragen, brav zu deinem Impftermin laufen, deine FFP2-Maske als neues Lieblingsaccessoire tragen und trotzdem wirst du eins über den Deckel bekommen, wenn du es wagst, nur einmal bei einer Entscheidung eine gewisse Skepsis an den Tag zu legen.
Du kannst ein intelligenter, denkender Mensch sein und von deinem Recht Gebrauch machen, dein Gehirn ab und zu einsetzen zu wollen, doch wage es nicht, einen Gedanken, der dabei entsteht, auch laut auszusprechen, vor allem wenn er auch nur im Ansatz Kritik beinhaltet.
Und umgekehrt genauso.
Wenn du von Anfang an gegen jegliche Corona-Politik warst, diese ganze Pandemie für eine große Lüge gehalten hast. Du davon ausgegangen bist, dass es Bill Gates einfach nur langweilig war oder die Weltbevölkerung dezimiert gehört oder China die Weltherrschaft an sich reißen will. Was weiß ich, auf was für Ideen man so kommen kann. Wenn du dich also auf die Straße gestellt hast und laut nach deinem Recht auf Freiheit (und somit zu sterben) gebrüllt hast und dann vielleicht doch die Idee mit dieser Impfung gar nicht sooo schlecht gefunden hast, nachdem du deinem Vater dabei zusehen musstest, wie er langsam und qualvoll gestorben ist und wagst, das laut auszusprechen.
Ui, nein, das will ich mir lieber nicht vorstellen.

Ganz genau, es ist rau geworden da draußen auf der Straße. 

Diese erste extreme Spaltung der Gesellschaft hat man bei der Bundespräsidentenwahl 2016 (Wahnsinn, ist das tatsächlich bereits fünf Jahre her?) bemerkt. Keine Frage, ich will mir nicht vorstellen, wie es heute in Österreich ausschauen würde, wäre diese anders ausgegangen. Aber das ist meine persönliche Meinung und ich bin mir sicher, dass nicht jeder derselben ist. Und das ist vollkommen in Ordnung. So läuft das in unserer Gesellschaft. Der eine ist dieser Meinung, der andere einer ganz anderen und trotzdem muss ich das akzeptieren. Das ist das besondere an einer Demokratie, dass im Grunde alles erlaubt ist. Mir muss es nicht gefallen, ich persönlich kann bestimmtes Gedankengut sogar abscheulich finden, aber das gibt mir nicht das Recht, einen anderen Menschen für seine Gedanken zu verachten. Ich weiß nicht, worauf die sich beruhen, warum er so denkt. Doch 2016 hat das niemanden interessiert. Du warst entweder rechts oder links und ich weiß nicht, wie viele Freundschaften an dieser Diskussion, die eben keine richtige Diskussion war, zerbrochen sind.
Und heute ist es fast noch schlimmer geworden.

Jeder ist so festgefahren in seiner Meinung und fragt nicht einmal mehr nach, warum jemand anderes auf diese oder jene Art denkt.
Darf ich nur kurz ein Wort in den Raum werfen: Impfung. (Uuuuuh, ein Raunen geht durch die Menge)
Ich werde mich hüten, darüber wirklich etwas zu schreiben. Es ist kein Geheimnis, dass ich bereits doppelt geimpft bin und das zu einem sehr frühen Zeitpunkt. Mehr sage ich dazu nicht – doch das hat auch einen Grund. Ich würde fast behaupten, es gibt momentan kaum ein Thema, das mehr spaltet als dieses. Zwischen diesen zwei Standpunkten ist alles so verfahren, dass dazwischen reines Brachland zu finden ist. Grau oder andere Schattierungen kann man da lang suchen.Egal wie man über all das denkt, egal wie man meine Worte findet, es wäre schön, wenn wir wieder zu unserer Menschlichkeit zurückfinden würden. Als wir zu Beginn dieser Pandemie für unsere Nachbarn einkaufen gegangen sind und für ältere Menschen Botengänge erledigt haben. Als wir uns gegenseitig unterstützt und uns versprochen haben, gemeinsam kommen wir da durch. Können wir uns bitte wieder darauf besinnen und aufhören, uns gegenseitig anzugreifen und niederzumachen? Einfach nur akzeptieren, dass jedem seine Meinung zusteht, denn der andere wird meinen Gedankengang sehr wahrscheinlich auch nicht nachvollziehen können. So ist das einfach mit uns Menschen.
Aber zusammen ist alles leichter als immer nur gegeneinander.

Ja, es ist rau geworden da draußen auf der Straße, aber so muss es nicht bleiben!

eine Lieben, jetzt verrate ich euch etwas: Ein Viertel des Textes musste ich wieder löschen, weil es mir ein zu heißes Eisen war, das ich da angefasst hatte. Vielleicht könnt ihr euch denken, wovon ich rede, vielleicht auch nicht. Zum ersten Mal habe ich mich nicht getraut, etwas so zu sagen, wie ich es vorhatte. Das sagt eigentlich schon alles über die aktuelle Zeit aus. Noch nie war ich ein Mensch, der mit seiner Meinung hinterm Berg gehalten hat. Ich stehe für meine Überzeugungen ein, aber freue mich auch immer über neue Denkansätze für mich selbst. Doch momentan ist es mir tatsächlich zu rau da draußen – traurig, aber wahr.
Ihr Lieben, habt ihr ebenfalls diese Erfahrung gemacht, ist euch aufgefallen, wie hart die Fronten festgefahren sind? Wie immer freue ich mich ganz besonders über viele verschiedene Meinungen. Kommt nicht unter die Räder und lasst euch nicht überfahren in diesem Wahnsinn. Freut euch stattdessen lieber auf nächsten Sonntag, denn eventuell wird das ein ganz besonderer Tag sein *zwinker,zwinker*. Alles, alles Liebe und mit vollster Überzeugung: love&peace,