Teestunde: meine Schuhe, deine Schuhe

eine Lieben, keine Angst, auch wenn ich mich momentan überdurchschnittlich oft im Freien aufhalte und man mich meist direkt in der prallen Sonne antreffen kann, habe ich mir keinen Sonnenstich eingefangen. Könnte man sich, gebe ich zu, bei dem seltsamen Titel schon denken. Ich habe auch nicht vor, euch meine Schuhsammlung zu zeigen. Wäre erstens sehr seltsam, außer es befinden sich ein paar Schuhfetischisten unter euch, und zweitens wäre es auch ziemlich langweilig, da diese ausschließlich aus Sneakern und Birkenstocks besteht.

Die Idee zu diesem Beitrag ist mir gekommen, als ich vor ein paar Wochen einige Termine und Erledigungen auf meiner To-do-Liste hatte und da mein Mann, ohne dass ich es vorher wusste, natürlich an genau diesem Tag frei hatte, hat er mich kurzerhand begleitet.
Okay, ihr fragt euch gerade bestimmt, was so sensationell daran sein soll, dass ich euch unbedingt davon erzählen muss. Tja, dazu komme ich genau jetzt: Als wir uns auf den Weg zum zweiten Amtstermin gemacht haben, hat mich mein Mann, während wir durch die Stadt schlendern, mehrere Sekunden lang zweifelnd von der Seite aus angesehen, bis er mich dann schlussendlich mit erhobener Augenbraue und etwas konsterniert gefragt hat, ob man eigentlich immer so mit mir spricht.

Ich habe zuerst nicht richtig verstanden, was er mit dieser Frage meinen könnte. Auch wenn ich mich noch so angestrengt und gegrübelt habe, mir ist nichts Ungewöhnliches aufgefallen. Obwohl, wenn ich ehrlich bin, eigentlich wusste ich genau, worauf er hinauswill, aber das ist genau der Punkt: Die Art, wie mit mir gesprochen und umgegangen wird, IST nichts Ungewöhnliches für mich. Es ist tatsächlich völlig normal und alltäglich, dass man mir, gerade bei solchen Terminen, selten freundlich begegnet oder sonst wie zuvorkommend ist. Im Speziellen, wenn mir dabei eine Frau gegenübersitzt.
Es stimmt schon, mein Mann hat mir erst kürzlich noch vorgeschwärmt, wie herzlich und freundlich auf Grazer Ämtern alle sind. Eben vollkommen anders, als man Beamten gemeinhin nachsagt.

Wie soll ich sagen, ich mache da häufig andere Erfahrungen. Keine Frage, ich glaube meinem Mann sofort, dass es in seiner Welt so ist. Und ich bin auch oft genug dabei, um zu sehen, dass ihm im Alltag völlig anders begegnet wird.
Meine Welt schaut leider trotzdem etwas anders aus.

In meiner Welt werde ich nach wie vor häufig geduzt.
In meiner Welt werde ich nach wie vor oft nicht für voll genommen.
Und in meiner Welt behandeln mich andere Frauen häufig zickig.
Ja, ich lebe in einer vollkommen anderen Welt als mein Mann.

Traurig, aber wahr.

Vor Urzeiten habe ich schon einmal einen Beitrag mit ähnlichem Inhalt verfasst. Damals war das Erlebnis, das ausschlaggebend war, nämlich jenes, dass mein Mann und ich an einem willkürlichen Samstag in einem Schuhgeschäft unterwegs waren und ich dort Stiefel entdeckt hatte, die mir nicht mehr aus dem Kopf gehen wollten, bis ich in der Woche darauf zurückgekehrt bin, um mir genau diese Stiefel zu kaufen.  An dem besagten Einkaufssamstag, an dem ich gemeinsam mit meinem Mann dort war, wurden wir nett und freundlich beraten, gerade, dass uns nicht noch Kaffee angeboten worden ist.
Als ich nun ein paar Tage später sogar bei genau derselben Verkäuferin gelandet bin, war ihr Verhalten plötzlich ein komplett anderes. Natürlich könnte man annehmen, sie hatte vielleicht einfach nur einen schlechten Tag. Fakt aber ist, dass ich einfach nur allein ohne meinen Mann unterwegs war, DAS war der entscheidende Unterschied.
Und solche Beispiele könnte ich unzählige aufzählen.

Jetzt ist die Frage, die ich mir stelle: Liegt es an mir persönlich oder an meinem Geschlecht? Strahle ich irgendetwas aus, dass man meint, man kann auf mir herumtrampeln, oder ist es einfach wirklich so, dass wir nach wie vor in dieser vermaledeiten Männerwelt leben?Wisst ihr, was mich am meisten daran ärgert? Dass es fast ausschließlich Frauen sind, die mich so behandeln. Keine Ahnung, was der Grund dafür ist. Gehe ich zu freundlich durchs leben und denkt man deshalb, mit mir kann man es ja machen? Lustig wird es nämlich immer dann, wenn ich zeige, dass ich auch anders kann. Meist ändert das die Sachlage sehr schnell.
Aber muss es wirklich so sein? Muss ich erst zum A…loch mutieren, damit ich für voll genommen werde?
In so einer Welt will ich nicht leben!
Ich will in keiner Männerwelt leben. Und ich will in keiner Welt leben, in der ich gezwungen werde, biestig durchs Leben zu gehen, um trotzdem die Vorzüge, die mir dieses fehlende Körperteil beschert, genießen zu können.

Ein weiteres Beispiel aus meine versus “seine” Welt, das bestens dazu passt: Arzttermine lasse ich inzwischen nur noch von meinem Mann vereinbaren. Nicht, weil ich ein generelles Problem damit hätte, nur ist es Fakt, dass ich beinahe immer länger auf einen Termin warten muss und selten den bekomme, den ich gerne hätte. Mein Mann ruft an – Bähm!, ich bekomme sofort meinen Wunschtermin, ohne Probleme.
Das ist einfach nur falsch!

Ab und zu wäre es wirklich großartig, wenn man für einen Tag in das Leben oder die Schuhe eines anderen schlüpfen könnte. Vielleicht würde das ja etwas ändern!

Zum Beispiel auch im Hinblick darauf, dass wir uns häufig herausnehmen, über andere zu urteilen, das Leben anderer zu verurteilen, ohne dass wir auch nur irgendeine Ahnung davon haben.
Ihr kennt bestimmt alle diese Gifs, wenn in vier verschiedenen Bildern gezeigt wird, wie das, was man macht oder arbeitet, von den unterschiedlichsten Seiten gesehen wird (Eltern, Freunde, Gesellschaft, man selbst). Es wäre wirklich lustig und man könnte über diese Bilder lachen – wenn sie nicht absolut der Realität entsprechen würden.

Was meine eigene Arbeit angeht, gibt es eigentlich fast nur zwei extreme Seiten, wie sie gesehen wird: Die einen, die denken, ich starre den ganzen Tag Löcher in die Luft, mache zwei, drei Fotos, tippe ein paar Wörter in die Tastatur und dann widme ich mich wieder den schönen Dingen des Lebens.
Oder die Menschen, die mich fragen, wie ich es überhaupt schaffe, alles, was ich mache, unter einen Hut zu bekommen. Die sich nicht vorstellen können, wie man einen Blog führen, gleichzeitig Romane schreiben, als Fotografin tätig sein und alles, was mit dieser Arbeit einhergeht, noch nebenher irgendwie zu machen. Die sich nicht vorstellen können, wie sich das in nur vierundzwanzig Stunden pro Tag ausgehen soll (Meine Antwort darauf: Es geht sich eigentlich auch nicht aus!).

Und genau so ist es mit jedem Job. Die einen sind fasziniert davon und haben einen wahnsinnigen Respekt. Meinen, sie selbst wären niemals dazu fähig. Die einfach würdigen, was man leistet.
Und die anderen, die keine Ahnung haben, aber der Meinung sind, sie könnten das mit links und viel weniger Aufwand.

Nur einmal einen Tag in den Schuhen eines anderen verbringen, würde so vieles ändern.

Wenn man bedenkt, wie herablassend oft Servicepersonal oder Verkäufer behandelt werden, dabei sind das mit die härtesten Jobs, die es gibt. Genauso wie Bauarbeiter, Straßenarbeiter, usw. Ich WEISS, dass ich nicht dazu fähig wäre und sehr wahrscheinlich nach zehn Minuten schon raus wäre.

Was ich mit all dem sagen möchte:

Es würde uns helfen, wenn wir alle etwas empathischer durchs Leben gehen würden. Alle ein bisschen weniger von uns selbst überzeugt sein und stattdessen würdigen würden, was andere leisten. Dass man keine Ahnung hat, wie sich die Schuhe eines anderen anfühlen. Dass es für uns Frauen nach wie vor eine ganz andere Welt ist als die der Männer. Und von anderen Religionen, Hautfarben und Kulturen fange ich gar nicht erst an. Ich werde mir niemals anmaßen, ein Urteil zu fällen, wie so ein Leben aussehen mag. Aber ich habe einen gehörigen Respekt allein bei der Vorstellung.

Es ist eben nicht möglich, in die Schuhe eines anderen zu schlüpfen, aber vielleicht würde es schon reichen zu sehen – sich vor Augen zu führen -, dass es andere Schuhe gibt. Schuhe, die einem selbst niemals passen würden. Die einem das Leben um einiges schwerer machen würden. Und liebe Frauen da draußen: Können wir BITTE aufhören, uns das Leben gegenseitig noch zusätzlich schwerzumachen und uns stattdessen zu supporten. So machen das nämlich Männer. Und so lange wir nichts an unserem eigenen Verhalten gerade unserem eigenen Geschlecht gegenüber ändern, wird es immer genau so eine Männerwelt bleiben.
Just sayin´…

eine Lieben, das ist mal wieder einer jener Texte, von dem ich keine Ahnung habe, ob er überhaupt irgendeinen Sinn ergibt. In dem ich einfach nur raugelassen habe, was mich gerade beschäftigt. Auf alle Fälle ist es einer jener Texte, bei denen ich so gespannt auf eure Erfahrungen bin. Wie erlebt ihr diese Welt? – und ich bin nicht nur an der Frauensicht interessiert. Aber ja, mich würde es schon auch interessieren, ob es an mir persönlich liegt oder eben doch am Geschlecht.
Hach ja, einen Tag in den Schuhen eines anderen verbringen, das wäre schon spannend …

Alles Liebe, lvoe&peace,