Mirli´s Lesecafé – Der Schatten des Windes

Meine Lieben, vor etwas mehr als sechs Jahren habe ich Mirli´s Lesecafé eröffnet und trotzdem ist erst heute der Tag, an dem ich euch dieses Buch vorstelle, obwohl, wenn immer ich nach meinem Lieblingsbuch gefragt werde, ich nur eine Antwort habe: “Der Schatten des Windes”. Als ich euch kürzlich um Buchtipps gebeten habe (vielen Dank an dieser Stelle noch einmal für all die Tipps, mein Wunschzettel hat dadurch ordentlich Zuwachs bekommen), wurde mir unter anderem ein Buch von Carlos Ruiz Zafón empfohlen, der, was ihr natürlich nicht wissen könnt, einer meiner liebsten Autoren ist. Und sein Roman “Der Schatten des Windes” sehr wahrscheinlich mein liebstes Buch überhaupt ist. Ich kategorisiere nicht gerne oder stelle Rankings auf, aber wie gesagt, wann immer mich jemand fragt, was mein liebstes Buch ist, kommt nach der Aussage, dass ich eigentlich alle Bücher liebe, gleich der Nachsatz, wenn ich mich wirklich für eins entscheiden müsste, dann wäre es dieses.
Jetzt wollt ihr bestimmt wissen, warum es bisher trotzdem keinen Platz in unserem Lesecafé bekommen hat, oder? Die Antwort ist einfach. Ich bin mir eigentlich sicher, dass es den meisten kein unbekanntes sein wird. Und trotzdem, wenn es nur ein oder zwei noch nicht kennen und ich sie mit meiner Vorstellung davon überzeugen kann, es zu lesen, dann habe ich meinen Teil zum Friedhof der vergessenen Bücher beigetragen. Oh, ihr wollt jetzt bestimmt von mir wissen, was es mit diesem Friedhof auf sich hat, oder? Dann macht es euch hier gemütlich, wartet, bis der Teekessel pfeift, die Kekse aus dem Ofen kommen und dann kann es auch schon losgehen. “Der Schatten des Windes” und dieser Autor sind unsterblich, zumindest in meiner Seele werden sie ewig leben … Alles Liebe, x S.Mirli!

Buchvorstellung “Der Schatten des Windes”

Autor: Carlos Ruiz Zafón
Erscheinungsdatum: 7. März 2013 im Fischer Verlag
Seitenanzahl: 565
Preis bei Amazon: 12,33€

Autor: Carlos Ruiz Zafón, geboren 1964, wuchs in Barcelona auf, wo er auch die Jesuitenschule Sarrià besuchte, die ihn mit ihren Türmen und Geheimgängen zum Geschichtenerzählen inspiriert hat. Zunächst arbeitete er in einer Werbeagentur, wandte sich aber bald dem freien Schreiben zu. 1994 zog er nach Los Angeles, wo er bis zu seiner Rückkehr nach Barcelona 2004 als Drehbuchautor und Journalist für spanische Zeitungen arbeitete. Derzeit schreibt er an seinem neuen Roman.

Inhalt laut Klappentext: Als der junge Daniel den geheimnisvollen “Friedhof der vergessenen Bücher” betritt, ahnt er nicht, dass sein Leben eine dramatische Wende nehmen wird. Der Schatten des Windes, das Buch, das er für sich auswählen darf, wird ihn nicht mehr loslassen. Immer mehr taucht Daniel in die faszinierende Handlung des Romans ein, und auch sein eigenes Leben scheint sich den Gesetzen dieser Geschichte zu unterwerfen …

“Jedes einzelne Buch hat eine Seele. Die Seele dessen, der es geschrieben hat, und die Seele derer, die es gelesen und erlebt und von ihm geträumt haben. Jedesmal, wenn ein Buch in andere Hände gelangt, jedesmal, wenn jemand den Blick über die Seiten gleiten läßt, wächst sein Geist und wird stark.”

Spätestens nach dem Klappentext und diesem Zitat müsste euch sofort klar gewesen sein, warum ich mich von der ersten Seite an in diese Geschichte verlieben musste. Ich werde nicht müde, die Magie von Büchern und Geschichten immer wieder zu betonen. Was Worte mit einem machen können – Carlos Ruiz Zafóns “Der Schatten des Windes” hat so einiges mit mir gemacht.

“Einmal hörte ich einen Stammkunden in der Buchhandlung meines Vaters sagen, wenige Dinge prägten einen Leser so sehr wie das erste Buch, das sich wirklich einen Weg zu seinem Herzen bahnte.”

Schwierigste Aufgabe überhaupt wird es nun für mich sein, meiner Buchvorstellung auch noch eigene Worte hinzuzufügen, denn meine Zitatesammlung aus diesem Werk ist beinahe länger als jeder zweite meiner verfassten Beiträge.

“Noch dämmerten die Straßen matt in Dunst und Nachttau dahin, als wir aus dem Haus traten. Flimmernd zeichneten die Straßenlaternen der Ramblas eine diesige Allee, während die Stadt sich reckte und streckte und ihr blasses Nachtgewand ablegte.”

Der Autor entführt uns in seine Geburtsstadt Barcelona, ein Barcelona vergangener Zeiten. Der besondere Schreibstil von Zafón macht die Lektüre zu einem reinen Lesevergnügen. Eine alte Sprache, eine malerische Sprache. Die bildhaften Beschreibungen lassen einen eintauchen in diese ganz besondere Welt, sodass nicht nur Daniel, der eigentliche Hauptcharakter, wortwörtlich in die Geschichte hineingezogen wird.

“Julián hatte einmal gesagt, ein Roman, eine Erzählung seien Briefe, die sich der Autor selbst schreibe, um sich Dinge zu erzählen, welche er anders nicht herausfinden könnte.”

“Der Schatten des Windes” ist eine Geschichte in einer Geschichte in einer Geschichte. Handlungen und Personen verstricken sich, Fiktives scheint Real, Reales wird fiktiv. Seit “Die unendliche Geschichte” habe ich diese Idee geliebt, wenn man als Leser plötzlich selbst Teil der gelesenen Geschichte wird. “Der Schatten des Windes” nimmt dieses Thema noch einmal auf ganz besondere Weise auf.

“Ich spürte Millionen verlassener Seiten, herrenloser Welten und Seelen um mich herum, die in einem Ozean der Dunkelheit untergingen, während die außerhalb dieser Mauern pulsierende Welt Tag für Tag mehr die Erinnerung verlor, ohne es zu merken, und sich um so schlauer fühlte, je mehr sie vergaß.”

Kommen wir zur Geschichte zurück. Daniel wächst nach dem Tod seiner Mutter behütet bei seinem Vater, einem Buchhändler, auf. Von klein auf sind Bücher somit Teil seines Lebens. Zum zehnten Geburtstag führt ihn sein Vater zum “Friedhof der vergessenen Bücher”. Wenn es so einen Ort nur wirklich gäbe! Die Vorstellung, dass es vielleicht so ist und wir nur nichts davon wissen, stimmt mich glücklich. Daniel darf der Hüter eines von ihm ausgewählten Buches werden, nichts ahnend, was sich hinter der Geschichte “Der Schatten des Windes” aus der Feder von Julián Carax verbirgt.

“Jahrelang habe ich weitere Bücher von Carax gesucht … Niemand hatte von ihm oder seinen Büchern gehört. Später kam Monsieur Roquefort eine seltsame Geschichte über einen Mann zu Ohren, der auf der Suche nach Werken von Julián Carax Buchhandlungen und Bibliotheken abklapperte und sie, wenn er welche fand, kaufte, stähle oder sich sonstig aneignete und gleich danach verbrannte.”
“Julián hat in seinen Büchern gelebt. Die Leiche, die in der Totenhalle landete, das war nur ein Teil von ihm. Seine Seele ist in seinen Geschichten … Wenn ihn also jemand vernichten wollte, müsste er diese Geschichten und diese Personen vernichten, nicht wahr?”

Obwohl nur wenige Bücher des Romans verkauft wurden, ist das Mysterium darum umso größer. Daniel lässt das Buch nicht mehr los. Er macht sich auf die Suche nach weiteren Romanen, auf die Suche nach diesem Autor: Julián Carax. Dabei begleiten ihn ganz besondere Charaktere, von denen mir besonders Fermín ans Herz gewachsen ist. Mit Zitaten seiner Aussagen hätte ich einen eigenen Beitrag füllen können.

“Das Fernsehen, lieber Daniel, ist der Antichrist … Diese Welt wird nicht von der Atombombe zerstört werden, wie uns die Zeitungen weismachen wollen, sondern sie wird sich totlachen, wird an Banalität zugrunde gehen, weil sie aus allem einen Witz macht, einen schlechten noch dazu.”
“Das schwierige ist nicht, einfach so Geld zu verdienen”, klagte er. “Das schwierige ist, es mit etwas zu verdienen, was es wert ist, dass man ihm sein Leben widmet.”

Daniel und seine Freunde geraten schnell in dunkle Verstrickungen. Ein Mann ohne Gesicht, der einem von Carax´ Romanen entsprungen scheint, ein rachsüchtiger Polizist, der ständig neu auf die Bühne tritt, eine Geschichte, von der es scheint, dass sie sich wieder und wieder wiederholen muss.

“Sie wusste, dass, wer wirklich liebt, schweigend liebt, mit Taten und nie mit Worten.”

“Der Schatten des Windes” zieht einen in seinen Bann, man wird ein Teil der Geschichte und schlussendlich bleibt diese Geschichte für immer ein Teil von dir. Bei mir ist es auf jeden Fall so.

“Es hätte ihm Freude gemacht, zu wissen, dass ihn jemand lebend erhalten wollte, an ihn denken würde. Er hat immer gesagt, wir existieren, solange sich jemand an uns erinnert.”

Fazit: Zum ersten Mal könnte ich mir mein Fazit wirklich sparen, denn wie könnte es anders sein, als dass dieser Roman von Carlos Ruiz Zafón natürlich jede Empfehlung von mir bekommt, die man sich vorstellen kann. Ich muss gestehen, die ersten Kapitel ziehen sich eventuell etwas in die Länge, was bei einem Roman von beinahe sechshundert Seiten allerdings durchaus üblich ist. Außerdem braucht es einige Zeit, bis man sich all die Charaktere mit den für uns ungewöhnlichen spanischen Namen gemerkt hat. Aber sobald einen die Geschichte in den Bann gezogen hat, lässt sie einen nicht mehr los. Es ist diese unmöglich zu lösende Aufgabe, zwischen am liebsten sofort zu Ende lesen, um den Ausgang zu erfahren, und gleichzeitig am liebsten nur eine Seite pro Tag zu lesen, da man am liebsten niemals zum Schluss kommen möchte. Ach, was rede ich hier lang herum, sollte es der Fall sein, und ihr kennt dieses Buch tatsächlich noch nicht, dann … na ja, dann beneide ich euch beinahe ein wenig. Denn wie gerne würde ich diese Geschichte noch einmal zum ersten Mal lesen können. 

eine Lieben, ich traue mich fast nicht zu fragen, aber wer von euch kennt dieses Buch nun schon und wer nicht? Ich bin mir ziemlich sicher, jeder, der es gelesen hat, wird meine Begeisterung verstehen. Ich habe so gut wie jede Geschichte von Carlos Ruiz Zafón gelesen und obwohl ich jede empfehlen kann, “Der Schatten des Windes” wird immer einen besonderen Platz in meinem Herzen einnehmen.
Ihr Lieben, vielleicht mögt ihr mir erzählen, was euer Lieblingsbuch ist und wie es dazu geworden ist? Das würde mich ehrlich interessieren. Und ansonsten lesen wir uns einfach nächsten Dienstag hier wieder, ich freue mich auf euch. Alles Liebe, love&peace,