Frohe Weihnachten 2024

Meine Lieben, es ist wieder so weit, ein bestimmtes Ereignis liegt nur noch wenige Tage entfernt, was mich jedes Jahr aufs Neue einerseits vor Vorfreude kaum noch stillsitzen lässt, andererseits werde ich alljährlich auch etwas … na ja … melancholisch.
Für mich zählt die gesamte Adventszeit bereits zu Weihnachten dazu. Wenn ich vom Weihnachtsfest spreche, dann meine ich damit nicht nur diesen einen Abend oder diese drei Feiertage, nein, ich zähle bereits die Wochen davor dazu. Und ja, es ist nun mal so, auch wenn der eigentliche Höhepunkt noch vor uns liegt, neigt sich diese besonderste Zeit des Jahres trotzdem langsam, aber sicher dem Ende zu. Ich denke also, es ist in Ordnung, wenn man sich deshalb ein wenig traurig fühlt. Wenn man diese außergewöhnlichen Wochen noch etwas länger festhalten möchte.

Andererseits ist das dann auch der Moment, an dem ich mich selbst am liebsten an der Nase packen möchte. Denn es geht ja nicht nur die schönste Zeit des Jahres zu Ende, sondern für die meisten auch die stressigste und lauteste – obwohl es eigentlich gegenteilig sein sollte.
Ich kann nicht einmal mehr zählen, wie oft ich in den vergangenen Tagen von verschiedensten Seiten nicht viel mehr als Jammern und Nörgelei gehört habe. Dem einen ist die fünfte Einladung zu einer Weihnachtsfeier zu viel, den anderen nervt es, dass er sich durch überfüllte Geschäfte zwängen muss, um die gesamte Verwandtschaft mit Geschenken zu beglücken, und wieder ein anderer bereut die unnötigen Kalorien, die er Weihnachtsleckereien oder dem einen oder anderen Punsch zu viel zu verdanken hat. Man beanstandet, dass die gewünschte Lichterkette nicht mehr lagernd war, andernorts wird diskutiert, dass es wohl nicht zu viel verlangt sein kann, die bestellten Geschenke pünktlich zu Weihnachten vor die Haustür geliefert zu bekommen. Und von den Diskussionen über das Weihnachtsfestmahl fange ich gar nicht erst an. Jede Unverträglichkeit oder Ernährungs(un)gewohnheit muss immerhin berücksichtigt werden.

Wie gesagt, ich muss mich oft auch selbst an der Nase packen, wenn ich mich über die vielen Menschen auf der Straße beschweren will oder dass das Regal mit dem Lieblingslebkuchen im Supermarkt nichts als gähnende Leere vorweist und ich auf einen anderen Anbieter zurückgreifen muss.
Und ja, an exakt dieser Stelle muss ich mir und müssen wir uns alle etwas vor Augen führen:

Dass wir uns darüber beschweren können, dass wir im Supermarkt gerade nicht die gewünschte Marke vorfinden, bedeutet, dass wir regelmäßig einkaufen gehen können. Dass unser Kühlschrank mit Lebensmitteln gefüllt ist, wir also jeden Tag und immer wenn wir es brauchen oder auch nur wollen, Essen zur Verfügung haben.
Wenn wir uns darüber beschweren, wie laut der Nachbar beim Duschen mitsingt und wir es durch die Wände hören können, bedeutet es, dass wir ein Dach über dem Kopf haben. Einen sicheren Ort, den wir unser Zuhause nennen dürfen. Der die Außenwelt aussperrt und uns Frieden schenkt, wenn wir uns abends ins weiche, warme Bett kuscheln.
Wenn wir uns darüber aufregen, wie überlaufen Geschäfte und Kaufhäuser sind, heißt dies, dass wir Geld zur Verfügung haben, um es in Läden ausgeben zu können.
Wenn wir uns aufregen, wie stressig der Geschenkekauf ist, bedeutet das gleichzeitig, dass wir die Möglichkeit haben, andere zu beschenken, ihnen Dinge zu kaufen. Es bedeutet, dass wir Menschen in unserem Leben haben, die wir lieben, denen auch wir wichtig sind.
Wenn wir uns über all das beschweren können, jammern können, aufregen können, bedeutet es, dass wir reicher sind als 80% der Weltbevölkerung!

“In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl, alle Bewohner des Reiches in Steuerlisten einzutragen. Dies geschah zum ersten Mal; damals war Quirinius Statthalter von Syrien. Da ging jeder in seine Stadt, um sich eintragen zu lassen. So zog auch Josef von der Stadt Nazaret in Galiläa hinaus nach Judäa in die Stadt Davids, die Betlehem heißt; denn er war aus dem Haus und Geschlecht Davids. Er wollte sich eintragen lassen mit Maria, seiner Verlobten, die ein Kind erwartete. Als sie dort waren, kam für Maria die Zeit ihrer Niederkunft, und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war.”

Von all den Dingen, über die wir in den letzten Tagen und Wochen gejammert und geschimpft haben, die uns gestresst haben, können die meisten Menschen nur träumen und sie werden niemals einen Zugang dazu haben.

Vielleicht ist das etwas, über das wir gerade in diesen Tagen nachdenken sollten.
Vielleicht ist es aber auch etwas, das wir uns jeden einzelnen Tag bewusst machen sollten.

Im Alltag neigen wir dazu, unser ständiges Laufen im Hamsterrad zu monieren. Wir sind gelangweilt und genervt vom täglich gleichen Trott: aufstehen, frühstücken, duschen, anziehen, zur Arbeit fahren, heimfahren, im Supermarkt einkaufen, Essen kochen, fernsehen, lesen, schlafen. Und von vorne. Und von vorne. Und von vorne.
An was wir dabei allerdings nie denken, ist der Fakt, dass man sich absolut glücklich schätzen kann, wenn man sich über den langweiligen Alltage beschweren kann. Wenn das einzige Problem darin besteht, dass man nicht weiß, was man am nächsten Tag zum Essen kochen soll. Oder dass gerade kein vernünftiges Fernsehprogramm läuft. Oder dass sich das Projekt, an dem man zur Zeit arbeitet, mühsam gestaltet, ja, dann sollte man sich absolut glücklich schätzen, dass es so ist.
Du hast ein Leben! Du bist gesund! Du hast Arbeit!
Weißt du eigentlich, wie reich dich das macht?
Wie besonders?

“In jener Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde. Da trat der Engel des Herrn zu ihnen und der Glanz des Herrn umstrahlte sie. Sie fürchteten sich sehr, der Engel aber sagte zu ihnen: Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr. Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt. Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer, das Gott lobte und sprach: Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede, bei den Menschen seiner Gnade.”

Der Mensch neigt dazu, alles, was er hat, was er vor allem seit Kindheit an kennt und noch nie entbehren musste, als selbstverständlich anzusehen. Wenn ich bedenke, wie oft ich nicht in die Schule gehen wollte oder vom Unterricht oder Lehrern genervt war, ohne zu begreifen, wie gesegnet ich war, dass ich lernen durfte. Dass ich eine gute Ausbildung erhalten habe. Dass mir dadurch heute alle Türen offen stehen.
Dass ich mich glücklich schätzen darf, dass ich die Möglichkeit dazu hatte.
Wie reich ich allein dadurch bin.
Und besonders.

Wenn ich darüber nachdenke, wie sehr ich mein halbes Leben lang mit meinem Körper und Essen gehadert habe, anstatt dass ich darüber nachgedacht habe, dass ein, zwei Kilo zu viel in erster Linie bedeuten, dass ich zu viel Essen habe.
Wie viele Menschen können davon nur träumen?

Dass ich zwar gesundheitlich schon einige Hürden überwinden musste, aber ja, ich konnte sie überwinden, weil mir die beste medizinische Versorgung zugänglich war, weil wir hier in Österreich eins der besten Gesundheitssysteme und die besten Ärzte haben.
Das macht mein Leben besonders.
Und mich unglaublich reich.

Wenn ich also wieder mal dasitze, vielleicht durch mein Handy scrolle und Tendenzen bemerkbar sind, dass ich anfange, andere zu beneiden, die gerade an irgendeinem Traumstrand liegen oder eine meiner Lieblingsstädte bereisen, wenn ich jemanden mit einem schönen Mantel sehe und den auch gerne hätte, wenn ich gerade mit triefender Nase auf der Couch liege und all jene beneide, die zur selben Zeit die fantastischsten Dinge erleben, dann sollte ich mir etwas bewusst machen: Ich sollte mir bewusst machen, wie reich ich bin. Dass der nächste Urlaub schon geplant ist, dass ich unzählige Mäntel in meinem Schrank hängen habe, dass meine Nase auch wieder zu rinnen aufhören wird, denn eigentlich bin ich bester Gesundheit, und wenn nicht, gehe ich um den Block zum nächsten Arzt und lasse mich gesund machen. Ich mache mir bewusst, dass ich jederzeit, wann immer ich Lust dazu habe, selbst die fantastischsten Dinge erleben kann.
Dass ich zu der einstelligen Prozentzahl dieser Weltbevölkerung zähle, die all das von sich sagen kann.

Wenn ich also das nächste Mal auch nur daran denke, aufgrund irgendetwas zu jammern, mir wegen irgendetwas Belanglosem Sorgen zu machen, mich durch irgendetwas runterziehen zu lassen, weil ich dies oder jenes gerade nicht haben oder erleben kann, dann werde ich mich nicht nur bei der Nase packen, ich werde vor allem so lang trainieren, bis ich es schaffe, mir selbst in den Hintern zu treten.

Natürlich weiß ich nicht, wer das hier liest, aber allein wenn man die Möglichkeit hat, es zu lese, also offensichtlich einen Computer oder Handy besitzt und übehaupt lesen kann, sagt das schon aus, dass du zu diesen wenigen Prozent gehörst, auf die das alles zutrifft.
Und genau deshalb geht das da raus an dich, aber genauso an mich selbst:
Wir sind so reich beschenkt worden in diesem seltsamen Ding, das man Leben nennt. Also sollten wir endlich zu jammern aufhören und anfangen, uns jeden Tag bewusst zu machen, was wir haben. Dankbar sein – wie oft hören wir dieses Wort und denken doch nie darüber nach, was es bedeutet, dankbar sein zu können.
Ja, ich bin unendlich dankbar für das Leben, das ich führen darf. Dass es mir so leicht gemacht wird. Dass ich bei dieser Lebenslotterie in dem Minifeld gelandet bin, das mich reich macht – und damit ist vieles und nur nebensächlich Geld gemeint.
Dass es vor allem nicht selbstverständlich ist.
Und, dass ich statt zu jammern anfange, darüber nachzudenken, was ich tun kann, dass es den anderen über 80% der Menschen  vielleicht ein kleines bisschen besser geht.
Nicht jammern, sondern tun.
Vielleicht vergeht uns ja dann auch das Jammern, wenn wir ab und zu ein wenig über den Tellerrand blicken und nicht mehr alles als selbstverständlich ansehen.

“Als die Engel sie verlassen hatten und in den Himmel zurückgekehrt waren, sagten die Hirten zueinander: Kommt, wir gehen nach Betlehem, um das Ereignis zu sehen, das uns der Herr verkünden ließ. So eilten sie hin und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag. Als sie es sahen, erzählten sie, was ihnen über dieses Kind gesagt worden war. Und alle, die es hörten, staunten über die Worte des Hirten. Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach. Die Hirten kehrten zurück, rühmten Gott und priesen ihn für das, was sie gehört und gesehen hatten; denn alles war so gewesen, wie es ihnen gesagt worden war. ” (LK 2, 1-20)

eine Lieben, ja, es ist wieder so weit, zum tatsächlich neunten Mal darf ich hier mit euch diese besonderen Tage einleiten. Wenn ihr mir sagt – wie eigentlich immer in den Jahren zuvor -, dass meine “Weihnachtsansprache” mittlerweile schon richtiggehend zu eurem Weihnachtsfest bzw. zu eurem Weihnachtsritual dazugehört und ohne sie wäre es kein Weihnachten, dann könnt ihr euch nicht vorstellen, was das mit mir macht. Dass es mich demütig macht. Wenn ihr mir erzählt, dass ihr meinen Weihnachtstext am Heilig Abend vorlest, ich so also Teil eures Weihnachtsfests sein darf, ich mir vorstelle, dass ich so mit euch unter eurem Weihnachtsbaum sitze, dann kann ich nicht in Worte fassen, wie sich das für mich anfühlt.
Wahrscheinlich ist es das schönste Weihnachtsgeschenk überhaupt.
Ich sehe diesen Moment hier gerade eben immer als unsere gemeinsame kleine Weihnachtsfeier. Ein wenig habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich zu Beginn oft nicht weiß, wohin die Reise in diesem letzten Text des Jahres gehen wird, und dann kommen oft so ernste Worte dabei raus und der erhobene Zeigefinger. Ich finde aber, dass genau jetzt der richtige Zeitpunkt dafür ist. Ja, es ist diese besonderste Zeit des Jahres, in der unser aller Herzen etwas weiter geöffnet sind und alles, was heute beginnt, können wir im neuen Jahr fortführen. Und vielleicht nehmen wir uns ja alle heute vor, dass wir mit offeneren Augen durchs Leben gehen, dass wir nicht mehr alles als selbstverständlich ansehen und aufhören, zu jammern, sondern stattdessen etwas tun. Damit es vielleicht wirklich irgendwann selbstverständlich wird – nicht nur für ein paar wenige Prozent der Weltbevölkerung.

Ihr Lieben, ich wünsche euch an dieser Stelle unvergessliche letzte Tage vor dem großen Fest, kostet jeden Moment aus, lasst den Stress und Lärm draußen vor der Tür und gebt euch ganz dem Weihnachtswunder hin. Und dann wünsche ich euch wunderschöne, ruhige, besinnliche, dankbare, satte, glückliche, glitzernde, unvergessliche Weihnachten mit euren Liebsten! Oder auch nur mit euch! Oder mit Freunden! Oder der einsamen Nachbarin! Mit wem oder wie auch immer:

Alles Liebe, love&peace – immer,