Teestunde – Karma Baby

Meine Lieben, ich habe bei mir ein Verhalten festgestellt, das sich nach und nach eingeschlichen hat. Ich arbeite seit der Erkenntnis oder des Bemerkens dieses neuen Verhaltens daran, es mir wieder auszutreiben, und ich könnte mir vorstellen, wenn ich euch gleich erzählen werde, wovon ich rede, viele ebenfalls bei sich dieses Verhalten  feststellen werden.

Wahrscheinlich ist es ganz normal, dass die Haut, je älter man wird und je mehr man erlebt, dünner wird. Unsere Nerven sind nicht mehr so belastbar, wie sie es einmal waren, und dabei ist es egal, ob man wie ich Anfang vierzig ist oder dreißig oder Mitte zwanzig.

Wenn man jung ist, verzeiht man leichter bzw. lässt man sich viel länger viel mehr gefallen. Warum auch immer das so ist. Vielleicht hat man so viele andere Themen, die einen beschäftigen, die einem viel wichtiger erscheinen (und es sehr wahrscheinlich sogar sind), dass man sich nicht so viele Gedanken um Zwischenmenschliches macht. Zumindest bei mir war es so. Doch je älter ich werde, desto weniger kann ich den Bullshit von anderen ertragen. Je älter ich werde, desto weniger lasse ich mir gefallen oder verzeihe Dinge, die ich früher mit einem Schulterzucken abgetan hätte.

Und das ist völlig in Ordnung so. Es ist jetzt vielleicht etwas übertrieben mit Anfang vierzig ein Theater zu machen und zu sagen, dass die eigene Lebenszeit immer weniger wird, aber Fakt ist, die Zeit rieselt einem nur so durch die Finger. Gestern war ich noch dreißig – zumindest fühlt es sich so an – und heute sind plötzlich mehr als zehn Jahre vergangen.

Deshalb, ich habe keine Lust mehr, meine kostbare Lebenszeit damit zu verschwenden, mich über Dinge zu ärgern bzw. mich vor allem über Menschen zu ärgern. Ich will meine kostbare Zeit lieber dafür verwenden, sie Dingen und Menschen zu schenken, die deren Wert anerkennen. Die überhaupt das Wort Wert verstehen!Dieses Verhalten, das ich in der Einleitung erwähnt habe, und das mich dazu gebracht hat, diese Zeilen zu schreiben, ist eine Art Spiegelung, die ich mir angewöhnt habe. Mir fällt es gerade schwer, mich an konkrete Beispiele zu erinnern, aber sagen wir einfach, wenn mich jemand mit kurzen Sätzen abgespeist hat, habe ich es ihm nachgetan. Wenn jemand unfreundlich zu mir war, habe ich mit unterkühlter Höflichkeit geantwortet, wenn sich jemand vor mir zurückgezogen hat, habe ich es ihm gleichgetan. Ich denke, anhand dieser Beispiele versteht ihr, auf was ich hinauswill.
Und ganz ehrlich, ich verabscheue dieses Verhalten und habe es mir schleunigst wieder abgewöhnt, denn das bin ich einfach nicht und widerspricht absolut allem, wofür ich stehe.

Mein allererster Beitrag in der Kopfwelt waren meine Gedanken zu meiner sozusagen Lebenseinstellung: “Kill them with kindness”, und Gott, ich habe diesen Satz gelebt. Egal wie sich jemand mir gegenüber verhalten hat, ich bin mit einem Lächeln und einer inneren Ruhe darübergestanden. Da war keine Spiegelung von schlechtem Verhalten oder ein “Der verdient es doch gar nicht, dass ich meine Energie an ihn verschwende!”.
Warum hat sich dieses Verhalten also eingeschlichen, obwohl ich gar nicht so denke, gar nicht so bin?Ich kann euch die Antwort verraten: Weil ich müde geworden bin. Weil mir das Zwischenmenschliche und diese rude Gesellschaft all meine Energie geraubt hat. Weil ich früher noch nicht so oft lächeln musste, um jemanden zu killen. Weil ich inzwischen dauerhaft lächeln müsste, um nicht unterzugehen.
Dabei glaube ich so fest daran, dass alles, was wir aussenden, zu uns zurückkommt. Ich glaube fest daran, dass egal wie sich jemand mir gegenüber verhält, dieser Person das schlechte Verhalten auffallen wird, wenn ich ihr nur lang genug zeige, wie es richtig geht.
Ich glaube, dass wir andere Menschen mit guten Taten anstecken können. Wie eine Pandemie, die sich langsam verbreitet, und dafür wäre ich sehr gerne der Patient X.

Ich habe dafür sogar ein paar Beispiele auf Lager:

• Es ist Jahre her, wir sind an einem Sonntag am Weg zum Supermarkt am Hauptbahnhof, das einzig sonntags geöffnete Geschäft. Wir haben Glück und es wird just bei unserer Ankunft eine Parklücke in der Kurzparkzone frei, in der wir unser Auto abstellen können. Kaum ist der Motor ausgestellt, springt plötzlich der Fahrer, der zuvor auf diesem Parkplatz gestanden hat, aus seinem Wagen und klopft an unsere Fensterscheibe. Etwas verwundert öffnen wir das Fenster, da reicht er uns sein Parkticket, das er für eine Stunde länger gelöst hatte, wünscht uns ein schönes Wochenende und ist schon wieder dahin. Wir waren so perplex von dieser selbstlosen Geste, haben diese Idee aber natürlich großartig gefunden, sodass wir seitdem auch immer unser Parkticket weiterreichen, wenn wir für eine längere Zeit bezahlt haben. Dasselbe mache ich in der Straßenbahn. Ich lasse mein Stundenticket, wenn ich es nur für eine Fahrt brauche, am Ticketautomaten liegen, für den nächsten, der nur einen kurzen Weg vor sich hat.
• Nächstes Beispiel, es ist der dreißigste Dezember vergangenen Jahres, also ein Tag vor Silvester und wir erledigen den Einkauf für diese speziellen Feiertage. Obwohl wir schon einiges in unserem Einkaufskorb haben, lässt uns eine nette Frau mit vollbeladenem Einkaufswagen vor, da sie meint, sie braucht bestimmt länger (wir haben natürlich nicht darum gebeten). Kaum haben wir unsere Waren aufs Förderband gelegt, fragt uns dieselbe Person, ob wir vielleicht ihre Rabattsticker haben möchten, sie hat zu viele, und bevor wir noch antworten können,  verteilt sie schon lauter -25% Sticker auf unseren Sachen. Einfach so, einfach weil sie so ein Mensch ist. Seitdem machen wir das auch immer, wenn wir Sticker übrighaben.
• Oder, vor einigen Jahren waren wir in London. Am letzten Tag vor unserem Heimflug kehren wir ins Pub ein. Als wir gerade unsere Getränke erhalten, betritt ein offensichtlich Obdachloser das Pub und fragt an der Theke, ob sie ihm Reste aus der Küche geben könnten, er hätte Hunger, woraufhin er eine warme Suppe serviert bekommt. Als wir das mitbekommen, bitten wir den Wirt, als unser Essen serviert wird, er solle ihm doch noch Fish and Chips bringen, wir übernehmen die Rechnung. Als das wiederum unser Sitznachbar mitbekommt, legt der noch ein Dessert obendrauf.

Das ist es, was ich mit meinen Worten meine. Ich glaube ganz fest daran, dass, wenn man gutes Verhalten, menschliches Verhalten nur lang und oft genug vorlebt, es einen Dominoeffekt auslöst. Vielleicht wird es nicht jeden erreichen, vielleicht landet es auch bei manchen, die immer nur nehmen können und niemals geben wollen, doch ich bin mir so sicher, die Mehrheit ist anders. Die Mehrheit hat einfach nur vergessen, wie Nächstenliebe und miteinander aussieht, da es uns eben leider nicht so vorgelebt wird. Aber je mehr Menschen gute Taten vollbringen, desto selbstverständlicher wirkt es und desto öfter wird dieses Verhalten kopiert.

Das sind die Handlungen, die Gebaren, die gespiegelt werden sollten. Nicht so, wie ich es in letzter Zeit zu oft getan habe, weil mich die Gesellschaft müde gemacht hat. Ich will nicht dieser Mensch sein, der auf schlechtes Verhalten mit genauso schlechtem Verhalten antwortet. Ich will der sein, der mit einem Lächeln killt. Ich will der sein, der vielleicht nicht die Welt verändern kann, aber zumindest den kleinen Radius um sich herum.

Ich will niemanden verurteilen, der vom Alltag und von dem, wie ihm die Menschen begegnen, müde geworden ist, denn niemand, der im Glashaus sitzt, sollte mit Steinen werfen. Aber auch wenn wir müde sind, auch wenn es noch so viel Energie raubt, solche Beispiele, wie ich sie gerade erzählt habe, die geben die tausendfache Menge an Energie zurück.
Das ist Karma, Baby, genau so soll es sein!
Alles, was du gibst, kommt zu dir zurück!
Und ich werde niemals müde, daran zu glauben.

eine Lieben, ich weiß, Gutmensch ist heutzutage ein Schimpfwort und obwohl ich selbst viel falsch mache und viele Fehler habe, lasse ich mich gerne auf diese Art beschimpfen, denn ja, ich glaube, so lang es einem noch auffällt, dass man sich gerade nicht richtig verhält, so lang gibt es Hoffnung. Mein Lächeln ist inzwischen wieder festgetackert in meinem Gesicht, egal wie sehr daran gerüttelt und gezerrt wird. Ich kille wieder damit, also nehmt euch besser in Acht!
Ihr Lieben, habt ihr so ein Verhalten, so ein spiegelndes Verhalten an euch vielleicht auch schon bemerkt? Oder habt ihr auch Beispiele, die euch widerfahren sind, selbstlose Taten, die ihr kopiert? Ich freue mich auf eure Geschichten und wünsche euch eine wunderschöne Wochenmitte. Und nicht vergessen: “Kill them with kindness!“. Alles Liebe, love&peace,