Würdest du?

Meine Lieben, bevor ich loslege, möchte ich ein riesengroßes Dankeschön aussprechen. Ich habe euch kürzlich um Fragen für ein “kleines” Q&A gebeten und hätte niemals damit gerechnet, dass so viele zusammenkommen könnten. Vor allem hätte ich niemals mit solchen Fragen gerechnet. Aber gut, es gibt keine Herausforderung, der ich mich nicht stellen würde – wobei ich für einige wahrscheinlich noch schnell ein Studium absolvieren sollte bzw. darüber ein eigenes Buch schreiben könnte, aber gut, das bekomme ich schon hin (also nicht das Studium innerhalb von ein paar Wochen, ihr müsst wohl mit meinen Laienantworten leben). Gebt mir nur etwas Zeit dafür!

Prinzipiell habe ich vor, diese Fragen wieder in einem Fragebogen zu beantworten. Manche, das kennt ihr schon von mir, werde ich mir allerdings herauspicken, da sie wie gemacht sind für eigene Beiträge. Wie auch diese Frage, die ich heute gerne beantworten würde – zumindest werde ich es versuchen. Ich bin mir nämlich selbst noch nicht sicher, was dabei herauskommen wird.
Ihr könnt übrigens zum Schluss gerne alle mitmachen:

“Wenn dir jemand anbieten würde, dass du noch mal von vorne beginnen könntest, dass du sofort wieder 18 wärst, würdest du es annehmen?”

Von der Sekunde an, als ich diese Frage zum ersten Mal gelesen hatte, konnte ich mein Gehirn nicht mehr zur Ruhe bringen und einzig der Fakt, dass es Samstag war und ich dringend zum Einkaufen musste, hat mich davon abgehalten, sofort in die Tasten zu klopfen.

Kennt ihr das, wenn man den einen Gedanken noch nicht einmal richtig zu Ende gebracht hat, da wird er schon vom nächsten abgelöst und die Ideen überschlagen sich richtiggehend? Genau so ist es mir an dem Morgen ergangen und nicht anders geht es mir gerade eben. Deshalb bin ich mir tatsächlich unsicher, zu was für einem Fazit ich kommen werde. In diesem Moment weiß ich es noch nicht.

Intuitiv wäre meine erste Antwort (und die kommt meist ja direkt aus dem Unterbewusstsein) tatsächlich die, dass ich Nein sagen würde.
Keine Frage, das Älterwerden macht keinen Spaß. Ich würde gerne über allen Dingen stehen und behaupten, ich feiere und begrüße jede einzelne meiner Falten, weil sie Geschichten erzählen und ein Teil von mir sind – das stimmt bis zu einem gewissen Grad schon.
Aber, Nein, hier wird gar nichts gefeiert. Wenn es eine Möglichkeit gäbe, die Hautalterung anzuhalten, wäre ich sofort dabei. Nennt mich gerne oberflächlich, aber ich bin ein extrem visueller und ästhetischer Mensch und momentan fällt es mir noch schwer, mich mit dem Gedanken einer Greisin-Mirli auseinanderzusetzen.
Etwas, auf das ich noch viel eher verzichten könnte neben den Falten, wären die immer häufiger auftretenden Wehwehchen. Mein Mann ist beinahe fünf Jahre älter als ich und er hatte mich bereits darauf vorbereitet, dass ab dem 40er gefühlt jeden Tag ein neues “Leiden” hinzukommt. Ganz so schlimm ist es zwar nicht, aber mal hier ein Zwicken, mal da ein Zwicken, das ist Alltag geworden. Das am wenigsten Lustige daran – als ich jünger war, hat es auch mal hier und da gezwickt, aber ich habe mir nie etwas dabei gedacht. Ich meine, hey, was soll man mit 20 schon großartig für Krankheiten bekommen.
Mit über 40 ist das halt ein ganz anderes Thema. Ob man will oder nicht.
Im Angesicht dessen erscheint jede Falte dann doch ziemlich banal.

Okay, hätten wir mal geklärt, was ich alles an meinem jetzigen Alter nicht mag und wovon ich hoffe, dass sich jeder tatsächlich 18-jährige bewusst ist, was er hat und wie sehr er auf das, was er hat, aufpassen sollte.

Wenn wir aber diese Vorzüge der Jugend außer Acht lassen und ich versuche, diese Frage gewissenhaft zu beantworten, dann bekommt ihr jetzt eine kleine Dosis der “nervigen Schülerin Mirli”. Wenn man mir nämlich so eine Frage stellt, dann kann man sich sicher sein, dass ich mindestens zehn Antwortfragen parat habe. Zumindest war dies in meiner Schullaufbahn stets der Fall.

• Wenn ich mich dafür entscheide, noch einmal 18 zu sein, wird mein Leben auf genau dieselbe Weise verlaufen?
• Kann ich bitte vorher erfahren, wie lang ich eigentlich leben würde? Was ist, wenn ich im normalen Verlauf mit 45 sterben würde?
• Würde mein Leben einfach zurückgespult werden? Sprich, würden alle Menschen in meinem Leben auch wieder genau so viele Jahre jünger sein?
• Kann ich meine Entscheidung rückgängig machen?
• Kann ich mich noch an alles erinnern, was ich bisher in meinem Leben gelernt habe?
• Warum ist Gras grün?

Und.
Und.
Und.
Ich muss wohl nicht erwähnen, warum Textaufgaben in Mathematik mich an den Rand des Nervenzusammenbruchs gebracht haben!

Da hier niemand neben mir sitzt, der mir meine tausend Folgefragen beantworten könnte, gehe ich einmal von der Wahrscheinlichkeit aus, dass die Frage so gemeint ist, dass man einfach wieder 18 ist, die bisher gelebten Jahre vergessen sind und alle Türen und somit Chancen offen stehen.

Dann ist die Antwort für mich relativ einfach. Ich würde auf mein Bauchgefühl und somit auf meine intuitive, erste Antwort zurückgreifen: Nein, ich würde es nicht tun. Tatsächlich ist es so, dass ich mit meinem Leben und mit der Art, wie ich mich entwickelt habe, wer ich heute bin, was ich mache, wer mit mir das Leben teilt, mit allen Möglichkeiten, die noch vor mir liegen, so zufrieden und glücklich bin, dass ich zu viel Angst hätte, dass ich ein ähnliches Ziel niemals erreichen könnte. Und das obwohl mein Leben nach wie vor mit einigen Baustellen versehen ist, aber selbst die Arbeit daran gehört zu mir dazu.

Im Gegenzug, selbst wenn ich die weltpolitische Lage, ganz zu schweigen von der Klimakrise und dass es überhaupt keinen Spaß machen wird, mit den Veränderungen, was das angeht, leben zu müssen, ignoriere – nein, ich will nicht noch einmal 18 sein.
Ich hatte eine wunderschöne Kindheit und Jugend. Wie ich schon einmal erwähnt habe, bin ich sogar gerne zur Schule gegangen, habe das volle Programm mit pubertärer Rebellion, erster Liebe, erster eigener Wohnung, dafür gleich mal in die größte Stadt Österreichs ziehen, meinem Traumjob als Flugbegleiterin, etc. durchlebt und möchte keine Erinnerung, keine Sekunde davon missen. Egal wie viele Tränen ich oft verdrückt habe, welche Unsicherheiten und Ängste mich geplagt haben. Gerade die Reise mich selbst zu akzeptieren, mich selbst zu lieben, zu sehen, was alles in mir steckt – ich liebe jeden Aspekt dieser Zeit. Ich würde nichts an meinem Weg ändern wollen. Ich würde den Weg auch genau so noch einmal gehen, wenn ich müsste.
Aber ich würde es nicht wollen.

Sind wir mal ehrlich, 18 ist schon ein geniales Alter. Ein Punkt, den ich an dem Alter geliebt habe – dass wortwörtlich das ganze Leben noch vor einem liegt. Genau jetzt fällt man die Entscheidungen für den Rest des Lebens und das fühlt sich so sehr nach Leben an. Nicht, dass man nicht jederzeit alles ändern kann. Auch neu beginnen. Aber in der Realität und wenn man die meisten Leben betrachtet, stellt man genau jetzt mit 18 die Weichen und bleibt auf dieser Strecke. Viele, so wie es bei mir der Fall war, lernen in dem Alter (ich war 19) vielleicht sogar schon den Partner kennen, mit dem sie den Rest des Lebens verbringen werden. Oder Freundschaften entstehen, die ewig halten werden. Menschen, die Wegbegleiter ein Leben lang sein werden, treten ins Leben.
Aber 18 zu sein und all diese Möglichkeiten zu haben, kann auch furchtbar beängstigend und einschüchternd sein. Und anstrengend. Emotionen werden so viel stärker wahrgenommen. Vieles erlebt man intensiver. Und so berauschend dies auch sein kann – nein, ich muss das alles nicht noch einmal haben.

Allein die Möglichkeit, dass ich einen anderen Weg gehe, der mich in eine völlig andere Richtung trägt. Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass dies nicht auch ein spannender Gedanke ist. Aber wenn ich etwas bin, dann nicht der risikofreudigste Mensch.
War ich nie.
Denn wenn man es ganz genau nimmt, klingt die Frage für jeden Menschen unterschiedlich, da viele die Antwort bereits in die Frage hineininterpretieren. Für mich klingt sie nämlich so:
Würdest du dein ganzes bisheriges Leben, alles, was du bist, was du erreicht hast, Menschen, die du liebst, unbezahlbare Erinnerungen, die du gesammelt hast, würdest du das alles setzen für die Chance eines eventuellen Lottogewinns, sprich, eines komplett neuen Lebens. Eines noch jungen Lebens? Wie sollte dieser eventuelle Gewinn denn ausschauen? Was siehst du in dieser vielleicht möglichen Zukunft? Was ist dein “Mehr”? Dein “Besser”? Das, wofür es sich lohnt, alles zu setzen, was du hast, was du bist, WER du bist?
Ein größeres Haus, einen besseren Partner, eine erfolgreichere Karriere, andere Freunde?
Jugend?
Was?

Ist das nicht die eigentliche Antwort auf die Frage. DIE Krankheit unserer Gesellschaft?

Dass wir nie sehen, was wir eigentlich haben.
Dass wir immer von der Eventualität ausgehen, es könnte irgendwo etwas Besseres auf uns warten.
Dass wir nie im Moment leben, sondern ständig zurück oder nach vorne blicken.

Noch einmal 18 sein, jung, voller Tatendrang, voller Zukunft, voll eventueller Möglichkeiten – voller Jugend!
Oder zufrieden sein mit seinem Leben. Sehen und lieben, wer man ist. Zu wem oder was man sich gemacht hat. Jede Entscheidung als einen Pflasterstein seines wortwörtlich Lebenswegs hinnehmen und feiern. Den Menschen, die mit einem diesen Weg gegangen sind, ihren Wert zusprechen.
Schlicht und einfach dankbar sein.
Nein, ich bin kein risikofreudiger Mensch. Ich will mein Leben für nichts in der Welt eintauschen.
Auch nicht für weniger Falten und die Magie der Jugend! Auch diese wird irgendwann vergehen.
Und dann?
Noch einmal von vorne beginnen?

Oh, bitte nicht!

eine Lieben, ja, ich glaube, ich bin mit meiner Antwort und meiner Entscheidung zufrieden. Stellt euch mich mal als 18-jähriges unsicheres Wesen vor, das will niemand noch einmal erleben. Ich glaube, es war bei Thoreau, als ich gelesen habe, dass es irgendwo einen Stamm von Ureinwohnern gibt, die keine Uhrzeit und keine Tage und Jahre zählen. Insofern zählt man sehr wahrscheinlich auch kein Alter. Stellt euch vor, wir würden einfach nur leben ohne diese nervige Skalierung. Alter wäre eine reine Gefühlssache. Wenn dem so wäre, ich wäre wahrscheinlich noch immer Mitte zwanzig, denn ich fühle mich kein bisschen anders. Wozu also tauschen?
Für nichts in der Welt!
Jetzt seid eindeutig ihr an der Reihe und ich bin so gespannt auf eure Antworten!
Und vielen Dank noch einmal für diese wirklich geniale Frage an die betreffende Person. Genau ins Schwarze getroffen, kann ich da nur sagen. Ich liebe solche Gedankenspiele!
Ihr Lieben, wir lesen uns in ein paar Tagen wieder und dann wird es Zeit, hier für Stimmung zu sorgen, wenn ihr versteht, was ich meine *zwinker,zwinker*. Alles Liebe, love&peace,