Ammenmärchen oder doch was dran …?

Meine Lieben, das erste Mal, dass ich mir gedacht habe, dieses Thema bietet sich doch geradezu für einen Beitrag an, ist Jahre her. Damals habe ich eine Führung im Freilichtmuseum Stübing mitgemacht (solltet ihr einmal in der Gegend von Graz sein, kann ich euch einen Ausflug dorthin absolut empfehlen) – eine Mondscheinführung. Es wurden einem dabei beim Sitzen an einer offenen Feuerstelle Geschichten und Anekdoten aus anno dazumal erzählt und gleichzeitig unter anderem mit einigen sogenannten “Ammenmärchen” aufgeräumt.

Dieser Begriff – Ammenmärchen – sagt doch bestimmt jedem etwas, oder? Aber woher stammt er eigentlich bzw. was genau ist damit gemeint?

Der Begriff Ammenmärchen ist sehr wahrscheinlich im 18. Jahrhundert entstanden und geht – zumindest nimmt man das an – auf die Gewohnheit von Ammen zurück, die den von ihnen betreuten Kindern nicht ganz der Wahrheit entsprechende Geschichten erzählt haben, in der Absicht, sie einerseits zu unterhalten, andererseits durch Verängstigung zum Gehorsam zu erziehen (Danke Wikipedia).

Viele Geschichten, mit denen wir als Kinder – ich zumindest definitiv – aufgewachsen sind und “erzogen” wurden, haben sich bei dieser Führung als reine Märchen bzw. Erziehungsmaßnahmen entpuppt. Als ich vor zwei Jahren erneut dieselbe Führung mitgemacht habe, wurde ich daran erinnert, dass ich schon einmal vorhatte, dieses neuerlernte Wissen an euch weiterzugeben. Es hat – offensichtlich – noch einmal beinahe zwei Jahre gedauert, bis ich diese Idee nun endlich in die Tat umsetze, aber besser spät als nie.

Eine der Geschichten, die dort am Lagerfeuer erzählt wurde, war eigentlich die ausschlaggebende, und ich wünschte mir, ich hätte viel früher gewusst, dass sie nichts anderes als ein Märchen war, weshalb ich mich danach auf die Suche nach anderen solcher Ammenmärchen begeben habe und oft habe ich mir dabei genau dasselbe gedacht: Hätte ich nur früher schon gewusst, was ich heute weiß …

Von frisch gebackenem Brot bekommt man Bauchschmerzen

Wahr oder reiner Mythos, was denkt ihr? Sagen wir so, wer kein generelles Problem mit der Verdauung hat, dem macht frisches Brot nichts aus. Es wurde gerne behauptet, die Hefe geht im Magen weiter auf und führt so zu einem Völlegefühl und Schmerzen, allerdings ist Fakt, dass Hefe eine Backtemperatur von über 200°C nicht übersteht.
Einerseits könnte der Mythos so entstanden sein, dass frisches Brot so gut duftet und schmeckt, dass man davon automatisch mehr isst, schnell hinunterschlingt, so lange es noch warm ist, und daher das Völlegefühl kommt.
Ein anderer Grund ist – und da wären wir jetzt beim Ammenmärchen -, dass Brot in ärmlicheren Bauernfamilien oder auch während Kriegszeiten ein knappes und kostbares Nahrungsmittel war. Um das Brot zu rationieren und Kinder davon abzuhalten, das herrlich duftende, frisch gebackene Brot auf einmal aufzuessen, wurde ihnen eingeredet, dass sie davon Bauchweh bekämen.
Wer also kein Problem mit seinem Magen hat, kann so viel frisch gebackenes Brot essen, wie er möchte.

Fledermäuse fliegen in die Haare und verfangen sich darin

Eine schaurige Vorstellung, aber vor allem eine unnötige Vorstellung. Die Legende, dass sich Fledermäuse vor allem von Mädchen-Haarschöpfen angezogen fühlen und sich dort dann mit ihren Beinchen verfangen, gehört ebenso zu den Ammenmärchen und sollte einerseits Kinder dazu anhalten, pünktlich vor der Dämmerung nach Hause zu kommen bzw. andererseits heranwachsende Mädchen davon abhalten, sich nachts aus dem Haus zu schleichen und sich dabei ganz andere Dinge einzufangen.

Wer mit nassen Haaren in die Kälte geht, bekommt eine Hirnhautentzündung

Tatsächlich habe ich diesen Satz in meiner Kindheit nicht nur einmal gehört. Aber ist denn etwas dran, dass man eine Hirnhautentzündung bekommen kann oder generell einfach krank wird, sollte man mit nassen Haaren in die Kälte gelangen?
Nein, auch an diesem Mythos ist nichts dran. Verantwortlich für eine Erkältung sind Viren und ohne solch einen Erreger ist eine Infektion unmöglich. Sprich, egal wie lang man mit nassen Haaren draußen herumsteht, man bekommt davon nicht automatisch einen Schnupfen und schon gar keine Hirnhautentzündung. Eltern wollten damit wohl erreichen, dass Kinder ihre Mützen aufsetzen, was – wie es auch bei Klein-Mirli der Fall war – oft ein eher unliebsames Kleidungsstück bei den Kleinen darstellt.
Vielleicht noch eine zusätzliche Erklärung zu diesem Thema: Der Grund, weshalb im Winter häufiger Erkältungserkrankungen vorkommen, hat nicht primär etwas mit der Kälte zu tun – und dann doch wieder … lasst mich das besser erklären. Schuld ist der Fakt, dass wir uns in den kalten Monaten vermehrt in schlecht gelüfteten, stickigen Räumen aufhalten, gerne auch gemeinsam mit anderen Menschen, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dabei auf Viren zu treffen.

Wer im Dunkeln liest, verdirbt sich die Augen und braucht später eine Brille

Ihr glaubt nicht, wie lang ich an diesen Mythos geglaubt habe. Zwar brauche ich heute schon eine Brille, aber das hat wohl andere Gründe, denn Studien der Augenheilkunde haben bewiesen, dass die Sehkraft selbst beim Lesen unter extrem schlechten Lichtverhältnissen nicht beeinträchtigt wird. Bis heute liegen keine Beweise vor, dass dies zu einer langfristigen Schädigung der Augen führen kann.
Tatsache ist allerdings, dass das Auge zum guten Arbeiten tatsächlich mehr Licht braucht, ansonsten muss sich der Augenmuskel besonders anstrengen, um die Pupille weit offen zu halten, dadurch wiederum ermüden die Augen schneller und Kopfschmerzen können die Folge sein. Andererseits erholen sich Augen im geschlossenen Zustand schnell wieder.
Weshalb sich dieser Mythos hartnäckig hält, kann ich nur raten. Ich könnte mir vorstellen, dass man damit erreichen will, dass Kinder endlich schlafen und nicht noch ewig in Büchern herumblättern, aber das ist wie gesagt eine reine Vermutung.

Iss auf, dann gibt es morgen gutes Wetter!

Wenn an diesem Satz etwas dran wäre, müssten wir tagtäglich das schönste Wetter überhaupt haben. Dass dem nicht so ist, könnte daran liegen, dass dieser Satz eigentlich überhaupt nichts mit dem Wetter zu tun hat und auf einem reinen Missverständnis – wortwörtlich – beruht. Diese Ermahnung ist tatsächlich durch einen Übersetzungsfehler aus dem Plattdeutschen entstanden. Eigentlich lautet es nämlich: “Et dien Töller leddig, dann givt dat morgen goods wedder.” Wedder bedeutet allerdings nicht Wetter, wie es übersetzt wurde, sondern steht für wieder. Der Satz soll eigentlich bedeuten: “Iss deinen Teller leer, dann gibt es morgen wieder etwas Gutes.” Macht, wenn man darüber nachdenkt, natürlich um einiges mehr Sinn, denn was für einen Einfluss soll mein Teller auf das Wetter haben.
Hach, wie oft sind wir mit zu vollem Magen vom Tisch aufgestanden, weil uns die alleinige Macht über das Wetter angedichtet wurde, dabei war doch alles nur ein Übersetzungsfehler!

Bei Sport übersäuern die Muskeln, deshalb bekommst du Muskelkater

Na ja, dass man von Sport Muskelkater bekommt, die Erfahrung hat bestimmt schon jeder von euch gemacht. Und sehr wahrscheinlich ist auch jedem von euch bereits erklärt worden, dass dies durch Übersäuerung der Muskeln passiert. Tatsächlich hat sich das inzwischen allerdings als falsch erwiesen, denn Schuld an den Schmerzen bei ungewohnten, übermäßigen Bewegungen sind stattdessen kleine Verletzungen, also winzige Muskelfaserrisse, die sich ein bis zwei Tage nach der Belastung entzünden, aber danach genauso schnell wieder abheilen. Also kein Grund zur Sorgen, sondern einfach zwei bis drei Tage Pause und es kann weitergesportelt werden.

Beim Augenverdrehen können die Augäpfel stecken bleiben und man fängt zu schielen an

Wieder etwas, dass ich nicht nur einmal während des Heranwachsens gehört habe – seltsamerweise sehr häufig von Lehrern. Vielleicht habe ich doch einmal zu oft die Augen verdreht. Geglaubt habe ich es schon damals nicht und auch gut daran getan, denn tatsächlich ist es zwar ein Gerücht, das sich hartnäckig hält, andererseits gibt es keinen einzigen dokumentierten Fall, dass übermäßiges Grimassenschneiden zu Schielen oder Schlimmerem führen kann.
Woher diese Ermahnung kommt, kann ich mir schon denken (und nein, ich verdrehe gerade nicht die Augen) …
Oh, und nur damit ich es erwähnt habe, vom zu vielen Fernsehen können die Augen auch nicht viereckig werden, obwohl mir das mehr als einmal gesagt wurde.

Nach dem Essen sollst du ruhn´oder tausend Schritte tun!

Was ist dran an dieser Lebensweisheit. Ein Ammenmärchen oder schon sinnvoll?
Fangen wird mit dem Ruhen an: Das Hinlegen nach einer üppigen Mahlzeit kann zu Sodbrennen führen, demnach ist das Ruhen nach dem Essen, zumindest im liegenden Zustand, nicht zu empfehlen. Allerdings ist eine sportliche Betätigung genauso wenig ratsam, da der Körper nach dem Essen auf Verdauung umschaltet. Die tausend Schritte sind also kein allzu schlechter Ratschlag. Von Ärzten wird empfohlen, sich innerhalb von dreißig Minuten nach einem Mahl zu bewegen, denn bereits langsames Gehen kann die Blutzucker-Reguliereung unterstützen. Am idealsten wäre ein zügiger Schritt.

Onanieren macht blind!

Auch wenn so gut wie jeder Heranwachsende inzwischen sehr wahrscheinlich herausgefunden hat, dass nicht wirklich etwas Wahres dran sein kann, muss dieses Ammenmärchen natürlich ebenfalls seinen Platz hier erhalten. Nein, natürlich macht onanieren nicht blind, wurde aber früher als absolute Sünde angesehen und Eltern wollten so ihre heranwachsenden Kinder davon abhalten, sich zu versündigen. In dieselbe Kategorie fällt, dass zu häufiges Onanieren das Wachstum hemmt. Also, go for it …

Wenn du deinen Kaugummi verschluckst, verklebt der Magen!

Wieder eine sehr schaurige Vorstellung, da ich dazu neige, mir alles, was ich höre, bildlich vorzustellen, und da ich eine passionierte “Kaugummikauerin” war, habe ich diesen Satz nicht nur einmal zu hören bekommen. Zwar habe ich meinen Kaugummi nur selten geschluckt – eventuell haben die Ermahnungen doch gefruchtet -, aber passiert ist dabei nie etwas.
Es hätte allerdings sowieso nie etwas passieren können, denn dieser Mythos ist ebenso falsch wie alle anderen. Der Körper scheidet die Kaumasse beinahe vollständig wieder aus. Außerdem sind die inneren Organe wie Magenschleimhaut und Darmwände mit einem Feuchtigkeitsfilm überzogen, an dem nicht einmal ein Kaugummi anhaftet.

Kalter Kaffe macht schön!

Ist kalter Kaffee tatsächlich das Schönheitsgeheimnis schlechthin? Ich fürchte, ich muss euch leider enttäuschen. Dieser Ausspruch geht auf die Barockzeit zurück, als noble Blässe noch das Noneplusultra war und die Herrschaften so ziemlich alles getan hätten, um diese Blässe hervorzuheben wie z.B. zentimeterdick Schminke aufzutragen. Diese Schminke war allerdings meist von minderer Qualität und Haltbarkeit. Das dick aufgetragene Puder neigte dazu, unter warmem Wasserdampf zu zerlaufen oder zu bröckeln, weshalb man den Kaffee lieber kalt getrunken hat.

eine Lieben, wie ihr seht, natürlich kommt nicht jeder Irrglaube, der hier erwähnten, aus der Zeit der Ammen, aber vielleicht habt ihr ja noch den einen oder anderen parat, den ihr dieser Liste gerne hinzufügen würdet. Tatsächlich war es gar nicht so einfach, viel herauszufinden, und ich musste ordentlich grübeln, bis mir der eine oder andere Satz aus meiner Kindheit wieder eingefallen ist, den ich wiederum zur Zeit meines Heranwachsens mehr als einmal zu hören bekommen habe. Für mich war eine der größten Aha-Erkenntnisse tatsächlich die Geschichte mit dem frisch gebackenen Brot und seitdem liebe ich es, das Brot direkt aus dem Ofen zu essen. Allerdings, auch die Sache mit den Fledermäusen hat sich in meinem Bewusstsein sehr lange gehalten. Ich bin wirklich gespannt, was euch zu diesem Thema noch einfällt oder was eure Aha-Momente waren. 
Ihr Lieben, startet gut in die Osterwoche, wir lesen uns am nächsten Donnerstag noch einmal vor den Festtagen – ich freu mich auf euch. Alles Liebe bis dahin, love&peace, 

Oh, und nur zur Absicherung meinerseits: Alle Angaben ohne Gewähr! *g*