was man(n) niemals verstehen kann

Meine Lieben, ich wurde nicht erst einmal gefragt, woher ich denn immer meine Beitragsideen nehme. Meine Antwort darauf ist eigentlich stets diese, dass meine größte Angst, sogar bevor ich mit Mirli.me überhaupt online gegangen bin, genau diese war, dass mir irgendwann die Ideen ausgehen könnten. Dass ich irgendwann an den Punkt komme, dass ich nichts mehr zu erzählen habe. Der Gedanke an die vielzitierte Schreibblockade hat mich von diesen ersten Tagen an begleitet. Deshalb war ich allerdings auch so schlau, mir ein Hintertürchen offen zu halten. Sollten mir tatsächlich einmal die Themen ausgehen, poste ich einfach nur noch Rezepte und Buchvorstellungen, denn was das angeht, kann ich aus einem unendlich tiefen Pool schöpfen. Doch bisher musste ich zum Glück noch nie auf Trick 17 zurückgreifen. Ganz im Gegenteil. Meist fäll mir eher mit Schrecken auf, dass ich bereits wochenlang kein Rezept mehr online gestellt habe, da mir so viele andere Ideen dazwischengefunkt haben.

Die Antwort auf die Frage, woher meine Themenideen kommen, ist ohne diese zusätzliche Erklärung eigentlich ganz einfach zu beantworten: aus dem täglichen Leben. Meist sind es Textabschnitte, die ich lese, oder Zitate aus Serien oder Filmen verselbstständigen sich in meinem Kopf.
Und ab und zu sind es schlicht und einfach die täglichen Nachrichten, wie es auch kürzlich wieder der Fall war.

Prinzipiell wollte ich zu diesem speziellen Thema schon ewig etwas schreiben, da ich in meinem täglichen Leben immer wieder in die Situation komme, dass mein Mann und ich vollkommen unterschiedlich auf bestimmte Ereignisse reagieren. Was ja im Grunde vollkommen natürlich ist. Aber ich meine hiermit ganz spezielle Situationen, auf die jede Frau wie ich reagiert hätte und bestimmt so gut wie jeder Mann ähnlich gedacht hätte wie mein Mann.

Na, neugierig geworden? Dann lasst es mich am besten mit einem Beispiel erklären:

Inspiration für diesen Text war, wie ich bereits erwähnt habe, eine Nachrichtensendung. Vor ein paar Wochen wurde in der deutschen Tagesschau von einer Diskussion berichtet, die die Münchner in unterschiedliche Lager spaltet. Es geht um eine Bronzestatue der Julia Capulet, dessen rechte Brust bereits seit Jahren von Passanten angefasst wird, da sie sich dadurch Glück in der Liebe erhoffen. Die Statue war ein Geschenk der Stadt Verona und soll an die tragische Liebesgeschichte von Romeo&Julia aus Shakespeares Feder erinnern. Es wurde die Frage in den Raum gestellt: Aberglaube oder Sexismus. Die einen verstehen die Diskussion nicht und machen sich darüber lustig, wie man überhaupt auf die Idee kommen kann, so etwas mit Sexismus in Verbindung zu bringen. Für die anderen stellt das Berühren von eindeutigen Körperstellen eine Form von sexueller Belästigung dar.  

Mein Mann hat diese ganze Diskussion ebenfalls für lächerlich empfunden und nicht verstanden, wie man sich über so etwas Gedanken machen kann. Als ob es keine wichtigeren Probleme im Leben gäbe. Im Grunde gebe ich im bis zu einem gewissen Teil recht. Heutzutage wird einfach allem ein Stempel aufgedrückt. Ab und zu hat man das Gefühl, es gibt nichts mehr, was nicht irgendwie sexistisch, rassistisch oder auf sonst eine Art gebrandmarkt wird. Mir selbst ist es im Prinzip egal, ob jemand die Brust einer Bronzestatue betatscht oder nicht. Allerdings kann ich sehr wohl nachvollziehen, dass manche Menschen darauf sensibel reagieren könnten.

Es ist überhaupt nichts dabei, wenn man einmal kurz darüberstreicht und gut is´. Allerdings stelle ich mir gerade eine Gruppe Männer auf München-Hofbräuhaus-Trip vor, die an dieser Statue vorbeigehen, jeder Julia an die Brust fasst und dabei obszöne Gesten oder Laute von sich gibt. Kann jetzt sein, dass man mir ein Stereotyp-Denken unterstellen will, aber jetzt mal ehrlich, das ist kein Bild, das man noch nie gesehen hat, oder? Und genau da liegt das Problem. Das Anfassen einer abstrakten Brust finde ich noch nicht verwerflich. Aber für viele wird es eben doch zu einer sexualisierten Handlung und dann wird es schwierig.Ich stelle hier jetzt einfach einmal die Behauptung in den Raum, dass jede Frau im Laufe ihres Lebens zumindest einmal mit sexueller Belästigung in Berührung kommt. Ein Fünftel der Frauen sogar tatsächlich mit sexueller Gewalt. Das ist erschreckend viel! Wenn ich mich selbst heranziehe, dann habe ich, was dieses Thema angeht, leider auch keine sehr schöne Bilanz vorzuweisen. Ich kann heute gut darüber sprechen, aber gewisse Vorfälle in meinem Leben haben mich so geprägt, dass ich eine Zeit lang mit meiner eigenen Sexualität massive Problem hatte. Vielleicht reagiere ich deshalb auch sensibler und vorsichtiger auf dieses Thema.

Es sind also Vorfälle wie diese Nachrichtensendung, wenn ein Mann einfach nur belustigt den Kopf schüttelt und eine Frau, wenn sie einen Mann dabei beobachten muss, wie er dieser Statue an die Brust greift, ganz andere Bilder damit verbindet.

Ein Mann wird nie begreifen können, dass es für uns Frauen ganz natürlich ist, dass wir, wenn wir abends mit dem Taxi fahren müssen, eher nach einem weiblichen Chauffeur Ausschau halten. Zumindest ich mache das so. Wenn das nicht möglich ist, gebe ich das Kennzeichen per SMS an meinen Mann weiter. Es ist für mich ein ganz normaler Automatismus, dass ich mich nachts in öffentlichen Verkehrsmitteln in die Nähe des Fahrers setze, dass ich, wenn ich allein durch einen Park gehe, keine Kopfhörer aufsetze, um aufmerksam zu bleiben, dass ich bereits als Jugendlicher einen Selbstverteidigungskurs absolviert habe, dass wir Mädchen in der Volksschule immer zu zweit auf die Toilette gehen mussten, dass ich die Straßenseite wechsle, wenn mir eine größere Gruppe Männer entgegenkommt, dass ich am Weg nach Hause, wenn es dunkel ist, immer mein Telefon griffbereit in der Hand habe oder sowieso mit jemandem telefoniere, dass ich meine Kleidungswahl tatsächlich davon abhängig mache, ob ich allein unterwegs bin, dass ich keine offenen Getränke von Fremden annehme, dass ich eher auf einem Parkplatz parke als in einem Parkhaus – diese Liste lässt sich unendlich fortsetzen. Für uns Frauen sind das Dinge, die zu unserem täglichen Leben dazugehören. Die wir bereits als Kind beigebracht bekommen und die, wie ich schon gesagt habe, ein Automatismus wurden.

Gut, vielleicht bin ich auch vorsichtiger als andere Frauen, allerdings weiß ich aus meinem persönlichen (weiblichen) Umfeld, dass sich viele ähnlich verhalten bzw. uns sogar empfohlen wird, genau so durch den Alltag zu gehen. Wie ich bereits erwähnt habe, bin ich nicht nur einmal mit diesem Thema konfrontiert worden. Ich wurde als Teenager im Schwimmbad sexuell belästigt – nicht nur verbal, mehr möchte ich dazu aber bitte nicht sagen. Als ich während der Schulzeit ein Praktikum in einem Hotel absolvieren musste, war ich tagtäglich mit sexuellen Anspielung des Küchenpersonals bzw. auch teilweise mit unpassenden Berührungen konfrontiert gewesen. Von blöden Sprüchen, gaffenden und starrenden Blicken und obszönen Gesten fange ich gar nicht erst an, die gehören für uns Frauen einfach zum Leben dazu.

Und das ist Fakt. Darüber brauchen wir nicht zu diskutieren.

Es ist traurig, dass wir in einer Welt leben, in der man eben nicht ganz unbedarft durch die Stadt spazieren kann. Dass wir immer wachsam und aufmerksam sein müssen. Dass angeschaut zu werden oder wenn uns nachgepfiffen wird, wir das nicht als Kompliment oder Schmeichelei ansehen. Nein, das ist extremst unangenehm, denn wir Frauen müssen immer entscheiden, ob das nur ein dämliches Verhalten ist oder eventuell doch eine potentielle Gefahrenquelle darstellt.
Und das sind Dinge, die ein Mann nie begreifen wird.

Ich weiß, der Großteil der Männer ist nicht so – zum Glück. Aber es würde schon helfen, wenn auch Männer etwas aufmerksamer durch den Alltag gehen würden und öfter eingreifen, wenn sie sehen, dass eine Frau belästigt wird oder sich einfach nur Unwohl fühlt. Besser einmal zu viel fragen, ob alles in Ordnung ist, als einmal zu wenig – egal, wie harmlos es auf den ersten Blick vielleicht scheint.

Meine Worte würde ich deshalb gerne mit einer schönen Erzählung bzw. mit einem positiven Beispiel beenden:
Als wir im Juli in Wien waren, bin ich noch etwas länger im Burggarten geblieben, während mein Mann sich auf den Weg gemacht hat, das Auto zu holen, das am anderen Ende der Stadt geparkt war. Als er zurückgekommen ist, marschierte er auf mich zu und meinte so spaßhalber  (etwas zu laut): “Du g´fallst mir, dich nimm ich mit.” In dem Moment sind zwei Männer mit ihren Freundinnen/Frauen vorbeigekommen und sofort stehen geblieben, da sie ja nicht wissen konnten, dass wir uns kennen. Und wenn ich nicht gleich zu verstehen gegeben hätte, dass alles in Ordnung ist, bin ich mir sicher, dass sie eingegriffen hätten. Und das habe ich einfach nur großartig empfunden und ich wünschte, es würde ein bisschen mehr Zivilcourage wie diese geben.

eine Lieben, ich schätze, dies ist ein Thema, mit dem jede Frau auf die eine oder andere Art bereits konfrontiert war. Ich würde euch an dieser Stelle gerne eine Broschüre mit Sicherzeitstipps für Frauen und Mädchen verlinken. Ich gehe bestimmt vorsichtiger als so manch anderer durchs Leben, andererseits kann ich nicht wissen, wie oft ich dadurch bereits einer verfänglichen Situation vielleicht entkommen bin. Dadurch, dass mein Mann und ich immer wieder über solche Dinge reden, kann auch er mich in vielen Momenten inzwischen besser verstehen. Vielleicht seid ihr auch schon in so einer Situation gewesen und wollt mir davon erzählen. Oder könnt ihr dieses Thema schon nicht mehr hören? Ich bin so gespannt, auf eure Meinungen und freue mich, wenn wir uns bereits am Dienstag hier wiederlesen. Passt immer gut auf euch auf, love&peace,