Zweiundzwanzig Jahre Wir

Zweiundzwanzig Jahre.

Als wir uns das erste Mal gesehen haben, wussten wir beide – das ist es. Das ist es, was jeder Mensch sucht. Was jeder Mensch zu finden hofft. Was aber nur ganz wenigen gelingt.
Du bist mein allerbester Freunde auf der Welt. Niemand kennt mich so wie du. Du bist der Einzige, der Allereinzigste in diesem Universum, der alles von mir weiß und mich trotzdem liebt.
Mich vielleicht gerade deshalb liebt.

Du bist es, weil du nach zweiundzwanzig Jahren noch immer sofort nach meiner Hand greifst, wenn sich eine Tür hinter uns schließt. Weil du abgestandene Cola trinkst, da ich keine Kohlensäure mag. Weil du mir immer die dünnen Enden deiner Breze gibst, egal wie viel Hunger du hast, da du weißt, dass ich die am liebsten mag. Weil du mir jede Tür aufhältst, immer schaust, wo ich mich gerade befinde, immer auf mich aufpasst – immer für mich da bist.Ohne dich bin ich nur halb. Ohne dich wäre es nicht mein Leben. Ich könnte ohne dich leben – aber ich will es nicht.
Ein Leben ohne seinen allerbesten Freund, wer will das schon.

Du gibst mir deine Jacke, egal wie sehr du selbst frierst. Du fährst stundenlang bei dichtestem Schneefall jede Woche nach Hause, um wenigstens zwei Tage bei mir zu sein. Du schläfst im Winter im Auto vor dem Krankenhaus, damit ich besser schlafen kann.
Du bist du.
Wir sind gemeinsam durch die höchsten Lüfte geschwebt, haben aber auch die tiefsten und dunkelsten Schluchten durchwandert. Du hast mit mir die schönsten Momente erlebt, warst aber auch in meinen traurigsten und schlimmsten Zeiten an meiner Seite.
Du hältst mich, wenn ich nicht mehr kann. Du bist da, wenn ich eigentlich niemanden an meiner Seite ertrage. Du weißt immer, was ich gerade brauche. Du hörst mir zu, egal was ich dir erzähle.Du erträgst die Hitze neben mir, weil der nächste Schatten zu weit von mir entfernt ist. Du schenkst mir keine Blumen, da du genau weißt, dass ich das nicht mag. Du weißt eben, was ich mag und was nicht. Du hasst mit mir dieselben Menschen. Du schaust mit mir die schnulzigsten Filme und langweiligsten Serien.
Du willst immer wissen, was ich denke.

Du siehst mich an, wie ich mich selbst niemals sehen kann.
Du siehst so viel in mir, was ich nur durch dich sehen kann.
Du gibst mir das Gefühl, dass ich besonders bin.
Dass ich geliebt werde – uneingeschränkt.
Dass ich sein kann, wer ich bin. Dass ich alles sein kann, was ich will. Dass ich schon großartig bin, seit ich bin.Liebe.
Liebe ist ein blödes Wort.
Ich schreibe hunderte Buchseiten über Liebe und mag das Wort nicht.
Und du weißt es.
Liebe ist so allgemein.
So gewöhnlich.
So weltlich.

“Ich liebe dich” – so oft gesagt, so selten gemeint.
Deshalb akzeptierst du, dass ich es so gut wie nie ausspreche. Weil du trotzdem weißt, dass ich das Wort nicht benutze, dass das Gefühl aber da ist. Denn dieses Wort kann niemals ausdrücken, was das wahre Gefühl bedeutet und ausmacht.

Liebe ist nur ein Wort, was wir sind, sind all diese Kleinigkeiten.
Was uns ausmacht, sind zweiundzwanzig Jahre.
Was uns ausmacht, ist, dass in einer Zeit, in der alles ausgetauscht, alles erneuert, alles weggeworfen wird, wir beide daran glauben, dass man alles reparieren kann. Dass wir beide wissen, wie wertvoll “Altes” ist. Wie wertvoll Zeit und Jahre sind.
Wie wertvoll das ist, was wir haben.Ich habe keine Angst, dass es irgendwann nicht mehr so ist. Denn Liebe vergeht vielleicht bei vielen, aber das Gefühl von uns, das bleibt für immer.
All diese Kleinigkeiten bleiben für immer.

Du wirst mir auch noch in vierzig Jahren die dünnen Enden deiner Breze geben, auch wenn ich sie dann sehr wahrscheinlich nicht mehr beissen kann. Du wirst auch in vierzig Jahren noch immer nach meiner Hand greifen, sobald wir ein Haus verlassen. Du wirst auch in vierzig Jahren noch immer an meiner Seite sein, weil ich ohne dich nicht vollständig bin.Warum ich das jetzt schon wissen will?
Weil wir wir sind.
Wir können nur als wir existieren.
Du bist es, der mich über Liebe schreiben lässt, der mich dieses Wort benutzen lässt, weil du weißt, dass wir so viel mehr sind als ein Wort.
Was wir sind, ist ein Gefühl, das niemals vergeht.
Was wir sind, ist besonders, ist einzigartig, ist außergewöhnlich, ist selten, ist unbeschreiblich, ist beschützend, ist reich, ist wertvoll, ist unendlich – ist niemals nur ein Wort.
Es ist mehr.
Es ist alles.

Zweiundzwanzig Jahre.